BLICK-Kolumnistin Ursula von Arx über Aussehen und Aussichten
Basteln wir uns eine Frau

Die Frauen brachen einst auf, um sich von der männlichen Vorherrschaft zu befreien, um sich nicht länger diskriminieren zu lassen. Was ist daraus geworden?
Publiziert: 04.06.2018 um 19:16 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 11:57 Uhr
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Die Frau? Definiert sich über ihn, den Mann. «Er ist das Subjekt, er ist das Absolute: Sie ist das Andere.» So sah es die grosse Feministin Simone de Beauvoir vor 70 Jahren. Hat sich seither was verändert?

Sara ist 15 und smart. Vom Gymnasium bringt sie Bestnoten nach Hause. Sie sagt: «Ich arbeite für zwei Dinge richtig hart. Für die Schule und für mein Aussehen.» Am Morgen steht Sara eine Stunde früher auf, um die Haare zu waschen, zu föhnen, Make-up aufzulegen und passende Kleider auszuwählen. Sie macht Bodybuilding und hat schon zwei Diäten hinter sich: «Aber eigentlich bin ich immer auf Diät. Ich esse nie unkontrolliert.»

Für wen? Die Jungs!

Die Frage, für wen sie all diese Mühen auf sich nehme, beantwortet sie postwendend: «Jungs. Wenn du cool aussiehst, schlank und sexy, bist du beliebt. Bei den Jungs sowieso, aber auch bei den Mädchen gewinnst du an Ansehen.» Sara ergänzt: «Und es ist gut fürs Selbstbewusstsein.» Aber dieses reagiert leider nicht so zuverlässig auf das Work-out-Programm wie ihr durchtrainierter Körper: «An manchen Tagen finde ich okay, was ich im Spiegel sehe. An manchen gar nicht. Dann bin ich deprimiert.»

Da ist also die Frau im 20. Jahrhundert erfolgreich aufgebrochen, um sich von männlicher Vorherrschaft zu befreien, um gegen rechtliche, wirtschaftliche, bildungsmässige und soziale Benachteiligungen zu kämpfen. Und jetzt, im 21. Jahrhundert, lässt sie sich in ihrem Selbstverständnis fast vollumfänglich auf ihren Körper zurückwerfen?

Lässt sich bewerten («Die Jungs machen Listen mit den heissesten Mädchen»), vergleicht ihren Po mit dem von Katy Perry («Keine Chance. Aber die Fotos sind ja auch unrealistisch») und mit dem ihrer Kollegin Emma («Meiner ist viel zu flach») – und zweifelt: «Kriege ich je einen Freund? Nur die Gutaussehenden haben einen.»

Schwierige Frage, schnelle Antwort

Sara ist noch jung. Sie muss erst herausfinden, wer sie ist und sein will. Aber warum nur lässt sie und warum lassen sich so viele andere junge, kluge Frauen weismachen, auf die schwierige Frage nach dem eigenen Selbst gebe es eine einfache, schnelle Antwort? Und die laute: Du musst gut aussehen – schon bist du jemand. Schon bist du diejenige für den Einen, also die Andere, und alles wird gut.

Ursula von Arx (51) mag es nicht, wenn ihre präpubertäre Tochter viel zu lange vor dem Spiegel steht: «Übe Geige, lies ein Buch! Mach etwas, das dich weiterbringt», sagt sie dann leicht gereizt, während ihre Tochter sich im Spiegel zulächelt, triumphierend. Ursula von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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