Kolumne «Alles wird gut»
Seltsame Porträts

Frauen graust es davor, an körperlichen Idealen gemessen zu werden. Männer dagegen schicken ihnen munter Fotos vom Glied, das mathematisch vermessen werden kann. Warum bloss, fragt sich unsere Kolumnistin.
Publiziert: 25.08.2019 um 22:50 Uhr
Ursula von Arx, Autorin.
Foto: Thomas Buchwalder
Ursula von Arx

Die Männer. Kein Wunder, spazieren sie so frisch-forsch durchs Leben: Sie schaffen es, die Wunschbilder von Männlichkeit so frei zu definieren, dass selbst das Unattraktive – die klapperige Nervosität Woody Allens, die Grossnasigkeit des eher klein gewachsenen Nicolas Sarkozy, die ungesunde Gesichtsfarbe Donald Trumps – als Markenzeichen aufbereitet werden kann. Während Frauen von ständig wechselnden, oft gegensätzlichen Schönheitsidealen gegängelt werden – vom Kurvenreichtum einer Monroe und der langbeinigen Kargheit Twiggys, von der fadendünnen Victoria Beckham und dem prallen Hintern Kim Kardashians.

Frauen haben Masse, Männer haben Persönlichkeit. Könnte man meinen. Doch natürlich sind auch Männer verwund- und vermessbar: zwischen ihren Beinen. Dort verstecken sie ein Mass, das für ihr Ego existenziell ist. Heisst es. Und wie gehen sie damit um? Offensiv. Selbstbewusst.

Männer lassen die Hosen runter

Auch um ihren Penis haben sie eine argumentative Festung aufgerichtet, die ihn nahezu unangreifbar macht: Nicht auf die Grösse komme es an, aber auf die Technik, die Grösse sei relativ. Und die Männer von heute gehen noch weiter und lassen die Hosen runter.

Scheinbar unbelastet von Komplexen lichten sie sich da ab und verbreiten das Porträt via Smartphone: 46 Prozent der in einer Studie befragten 18- bis 36-jährigen Frauen gaben an, schon mal ungefragt ein Dick Pic zugeschickt bekommen zu haben: das Schwanzbild, die Visitenkarte im Zeitalter des Onlinedating.

Man könnte die Männer für ihre unverkrampfte Freizügigkeit bewundern und Frauen ermutigen, es ihnen gleichzutun und Vulva Pics zu verschicken. Allerdings, liebe Männer, sagten die meisten der befragten Frauen, dass sie ein Dick Pic als sexuelle Belästigung erfahren würden. Was als Kontaktanbahnungs- und Verführungsmittel gedacht sein mag, entfacht bei den Adressatinnen oft eher ein Gruseln. Und das Gefühl, übergangen worden zu sein: Weil man nicht im Voraus gefragt wurde, ob man sich das überhaupt anschauen möchte.

Antwort mit einem schrumpeligen Rüebli?

Wie also antworten auf so ein Bild? Mit einem schrumpeligen Rüebli? Auch Ablehnung törnt die Versender von Dick Pics an, gibt ihnen ein Gefühl von Macht, vermuten die Studienverfasser. Ihr Rat: einfach ignorieren. Und alles wird gut.

Ursula von Arx glaubt immer noch, dass das Gesicht die ausdrucksstärkste Zone des menschlichen Körpers ist. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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