Die Amerikaner seien von der Jugend besessen, heisst es. Was natürlich nichts anderes heisst, als dass sie vom Alter besessen sind. Altern ist in den USA nicht ein natürlicher Prozess, sondern etwas für Verlierer. Ein hohes Alter bedeutet nicht Wissen, Weisheit, Gelassenheit, Güte, sondern harte Arbeit. Das Altern ist wie das Rauchen: ein widerwärtiges Übel, das verbannt werden muss.
Amerikaner verschweigen ihren Jahrgang, nicht aber die Zahl der verjüngenden Operationen, die sie vor und hinter sich haben. Denn die muss man sich leisten können. Und nur Sieger können sie sich leisten. Popdiven wie Cher oder Madonna sind bewunderte Revolutionärinnen, weil sie der Utopie des ewig frischgebügelten Gesichts das Utopische genommen und unsere Vorstellung von dem, was machbar ist, erweitert haben.
Das tun auch Donald Trump (73) und seine Herausforderer Bernie Sanders (78), Joe Biden (76), Elizabeth Warren (70) und Michael Bloomberg (77). Das Weisse Haus scheint für sie eine Art Fitnesscenter zu sein, eine mit Schweiss und Blut verteidigte Kampfzone gegen das Verschwinden. Niemals könnten sie sich friedlich auf die Bank vor ihrem Haus setzen und dem Verrinnen der Zeit nachhören. Niemals kämen sie auf die Idee, es als Belohnung zu empfinden, sich nach einem langen, tätigen Leben nur noch um herzlich Belangloses kümmern zu müssen. Das wäre für sie Bedrohung, nicht Belohnung. Macht abgeben geht nicht. Unsichtbar werden geht nicht.
Die Schwierigkeit loszulassen kennt man auch hier, diesseits des Atlantiks. Zwar werden unsere Gesetze im Nationalrat bald von im Durchschnitt 49-Jährigen gemacht. Zwar werden auch im Ständerat bald zwei 31-Jährige sitzen. Doch keiner räumt gern seinen Platz für die nachfolgende, junge Generation.
Vertreter der Älteren haben drei Möglichkeiten, ihr Selbstbild zu wahren. Entweder sie verwischen ihr Alter durch Hyperaktivität. Oder sie stellen es heraus als grosses Plus: ihr durch jahrzehntelange Erfahrung gesättigtes Wissen, ihre langjährig gereifte intime Kenntnis der Mechanismen in Bundesbern – was da alles verlustig gehen könnte! Oder, drittens, sie schliessen Frieden mit sich, folgen Voltaire und bestellen ihren Garten. Alles wird gut.
Ursula von Arx wird leider auch nicht jünger. Aber Gärten mochte sie zum Glück schon immer. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.