Was verdient, enthüllt zu werden, verdient, öffentlich enthüllt zu werden. Sie erinnern sich an den Hashtag MeToo. Zwei Jahre ist es her, da packten Frauen (und wenige Männer) aus, welche Freiheiten Männer sich ihnen gegenüber erlauben. Manche der Angeprangerten verloren daraufhin Job und Ruf.
Anhaltende Bravorufe wären eine rationale Reaktion. Es könnte als frohes Zeichen gedeutet werden, wenn vor Macht strotzende Männer wie Filmproduzent Harvey Weinstein oder der amerikanische Ex-Senator Al Franken nicht länger unter Artenschutz stehen. Die vermeintlichen Spielzeugpüppchen, die sie sich an ihren Trophäenbaum gehängt hatten, erwachten plötzlich zum Leben und fingen an zu reden. Und zur Abwechslung hingen dann mal die bis anhin Unbelangbaren am Haken und zappelten ordentlich.
Mitleid mit den Männern
Doch der Spiess wurde schnell wieder umgedreht. Die #MeToo-Bewegung, die etwas Selbstverständliches einforderte, nämlich Respekt, wurde umgedeutet in eine Treibjagd von hysterischen Feministinnen gegen den Mann als solchen. Nicht mehr die Vergewaltigten waren die Opfer, sondern die der Vergewaltigung Bezichtigten. Das Mitleid wechselte die Seite hin zu den Männern, die verleumdet wurden, ohne sich wehren zu können. Das Ende des Rechtsstaates wurde beklagt. Und der feministische Wahn wurde angeprangert, der alles in einen Topf werfe: Eine Vergewaltigung ist doch nicht dasselbe wie eine Belästigung! Man muss doch unterscheiden!
Klar. Muss man. Unterscheiden ist immer gut. Nur scheint es, dass diese Unterscheidungskunst mit Vorliebe zugunsten der Männer angewandt wird und nicht zugunsten der Frauen.
Verzicht aufs Feierabendbier
Das zeigt der neuste Backlash gegen #MeToo: Eine Studie der Universität von Houston, die die gesellschaftlichen Folgen dieses weltweiten Aufstandes untersuchte, kommt zum Schluss, dass Männer enge Sozial- und Arbeitskontakte mit weiblichen Mitarbeitern zunehmend meiden: besser kein Feierabendbier, keine gemeinsame Geschäftsreise. Angeblich aus Angst, sie könnten der sexuellen Belästigung angeklagt werden.
Durchaus bequem: Statt zu überlegen, welche Kontakte man wie pflegt, bricht man sie ab. Und feige: Statt ein Problem anzupacken, geht man ihm aus dem Weg. Und raffiniert: sexuelle Diskriminierung im Tarnmäntelchen der Vorbeugung von sexueller Diskriminierung. Alles werde gut.
Ursula von Arx hat zwei Söhne und eine Tochter. Sie hofft, dass sich keine und keiner je in einer Opferrolle einrichtet. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.