Gopfried Stutz
Warum ich im nächsten Leben Börsenanalyst werde

Es finden sich immer Gründe, weshalb Aktien steigen oder fallen.
Publiziert: 13.06.2020 um 13:32 Uhr
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Aktualisiert: 27.02.2021 um 11:30 Uhr
Claude Chatelain, Publizist und Wirtschaftsjournalist.
Foto: Paul Seewer

In meinem nächsten Leben werde ich Börsenanalyst. Das sind jene Leute, die dem Gemeinvolk erklären, weshalb Aktien steigen und weshalb sie sinken. Wahrhaftig ein Schoggi-Job. Weil sich immer Gründe finden lassen, die einen Aufwärts- oder Abwärtstrend plausibel machen. Man liegt nie daneben, denn was wirklich die Ursache für das Auf und Ab war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.

Heute erleben wir wieder einmal Erstaunliches: Die Konjunkturprognosen könnten düsterer kaum sein, und doch zeigen die Aktienkurse nur in eine Richtung – nach oben. Sie haben seit dem Tiefstand rund zwei Drittel des Verlustes wieder aufgeholt.

Warum diese Euphorie bei sonst so trüben Aussichten? Ich habs gesagt. Nichts einfacher als das. Die Antwort heisst Anlagenotstand.

Gewiss: Notstand mag gerade in der heutigen Zeit zynisch klingen für dieses Luxusproblem. Ich habs nicht erfunden. Das Wort besagt, dass es neben Aktien kaum Alternativen gibt, Geld gewinnbringend anzulegen. In normalen Zeiten sind Obligationen eine solche Alternative. Doch wegen der tiefen Zinsen sind sie uninteressant. Zwar wären da noch Immobilien. Doch auch Betongold ist aufgrund tiefer Zinsen extrem teuer geworden.

Selbstverständlich könnte ich noch weitere Gründe anführen, um die steigenden Kurse zu erklären. Zum Beispiel, dass die Börsianer nicht mehr ganz so pessimistisch sind wie vor drei Monaten, dass der Lockdown früher gelockert wurde als erwartet, dass eine zweite Corona-Welle zwar nicht unwahrscheinlich, aber mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit kaum einen erneuten Lockdown provozieren werde, dass die Notenbanken mit dem Kauf von Wertschriften die Kurse hochtrieben. Alles ist richtig oder kann wenigstens nicht widerlegt werden.

Und lägen die Aktienkurse weiterhin auf dem diesjährigen Tiefstand vom 23. März, würde mich das als Börsenanalysten ebenfalls nicht stressen: Ich würde auf die trüben Konjunkturaussichten verweisen, die die Unternehmensgewinne und Dividenden dahinschmelzen liessen. Ich könnte aber ebenso gut auf den Handelskrieg der USA mit den Chinesen hinweisen oder auf die sich himmelhoch türmenden Schulden. Alles plausible Gründe, um an den Aktienmärkten ein Beben zu verursachen.

Zum Schluss noch dies: Der geniale Physiker Albert Einstein sucht sich einen neuen Assistenten.

Seine Frage an den ersten Bewerber: «Was haben Sie für einen IQ?» Antwort: «200.»
Worauf Einstein erwidert: «Da könnten wir zusammen philosophieren.»

Frage an den zweiten: «Ihr IQ, bitte?»
Antwort: «100.» Einstein: «Wir können zusammen ins Theater.»

Frage an den dritten: «IQ?» Antwort: «50.» Unverhohlen fragt Einstein: «Was macht die Börse?»

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