Gopfried Stutz über den Koordinationsabzug
Der Koordinationsabzug ist auch frauenfeindlich

Der Koordinationsabzug, wie er gemäss geltendem Recht funktioniert, ist völlig ungerecht und nicht zuletzt auch frauenfeindlich.
Publiziert: 02.11.2019 um 17:19 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2020 um 12:11 Uhr
Claude Chatelain, Kolumnist SonntagsBlick und Publizist.
Foto: Paul Seewer

Aus der Leserforschung wissen wir: Leser verlassen den Text, wenn schon der Anfang mit unverständlichen Fremdwörtern durchsetzt ist. Ich tue es trotzdem und widme diese Kolumne dem Koordinationsabzug der 2. Säule.

Was hat es mit dieser Wortschöpfung auf sich? Mit dem Koordinationsabzug wird die erste Säule, also die AHV, mit der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge, koordiniert. So wird vom versicherten Lohn der Pensionskasse, auf dem sich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge berechnen, ein sogenannter Koordinationsbeitrag in Abzug gebracht, der in etwa der AHV-Rente entspricht. Er beträgt derzeit 24'885 Franken. Dieser Abzug verkleinert den versicherten Lohn. Je tiefer der versicherte Lohn, desto tiefer auch die Rente.

Gewerkschaften und Arbeitgeberverband wollen diesen Koordinationsabzug auf 12'443 Franken halbieren. Das haben sie in einem harzigen Prozess ausgehandelt. Im November ist dazu eine Vernehmlassung des Bundesrats zu erwarten. Diese Halbierung ist grundsätzlich positiv. Positiv insbesondere auch für Versicherte mit tieferen Einkommen. Noch besser wäre es, das komplizierte Konstrukt würde gänzlich abgeschafft.

Der Koordinationsabzug ist frauenfeindlich – oder noch besser: teilzeitbeschäftigtenfeindlich. Denn der Abzug erfolgt unabhängig vom Beschäftigungsgrad. Zur Illustration ein einfaches Beispiel: Ein Ehepaar arbeitet je 50 Prozent, um sich dem Zeitgeist entsprechend die Zeit im Haushalt und mit den Kindern aufzuteilen. Beide verdienen 40'000 Franken. Nun wird den beiden 24'885 Franken in Abzug gebracht. So kommen sie je auf einen versicherten Lohn von lediglich 15'115 Franken, mal zwei sind 30'230 Franken. Arbeitet nur eine Person Vollzeit zu einem Jahreslohn von 80'000 Franken, so beträgt der versicherte Lohn dagegen 55'115 Franken. Ob also die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge auf 55'115 oder auf 30'230 Franken berechnet werden, ist ein enormer Unterschied, der sich auf die Höhe der Rente nachhaltig auswirkt.

Schon 2011 verlangte die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder mit einer parlamentarischen Initiative, den Koordinationsabzug dem Arbeitspensum anzupassen. Die Initiative steckt immer noch in der politischen Mühle und wird dort vermutlich zermalmt. Nun wollen zwar die Sozialpartner, wie gesagt, den Koordinationsabzug halbieren. Immerhin. Aber eine Anpassung ans Pensum ist nicht geplant. Wir können nur hoffen, dass das Parlament in der Beratung der BVG-Revision diese Korrektur vornimmt.

Arbeitnehmerfreundliche Pensionskassen passen im überobligatorischen Bereich den Koordinationsabzug schon heute dem Pensum an. So etwa die Zürcher BVK, mit 121'000 Versicherten die grösste Pensionskasse der Schweiz. Längst nicht alle Vorsorgeeinrichtungen tun dies.

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