Gopfried Stutz mit Claude Chatelain
Die Renten gehören ins Gesetz – nicht in die Verfassung

Wenn Bundesbern nicht fähig ist, sich auf  eine mehrheitsfähige Lösung zu einigen, entstehen kuriose Volksinitiativen.
Publiziert: 22.07.2018 um 16:09 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:29 Uhr
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

«Etwas für dich», rief meine Partnerin, als sie die «Tagesschau» sah. Ich war im Zimmer nebenan und erfreute mich an Alex Capus’ Roman «Das Leben ist gut» (die Tagesschau sehe ich eher selten. Mit der Radiosendung «Echo der Zeit» bin ich bestens bedient).

Die «Tagesschau» berichtete über ein Netzwerk älterer Zeitgenossen, das mit einer Volksinitiative einheitliche Pensionskassenbeiträge für Jung und Alt erzwingen will.

Was alles soll noch in unsere Verfassung verpackt werden, was in ein Gesetz gehört? Spontan frage ich mich, ob ich auch mal eine Initiative lancieren soll. Ich könnte zum Beispiel die Abschaffung der Kinderrenten für Auslandschweizer verlangen. Damit würde ich reiferen Herren meines Alters den Spass verderben, in Thailand eine kinderreiche Alleinerziehende zu ehelichen, um für jedes einzelne Kind eine Rente zu beziehen.

Ob dann der Verfassungsartikel nach gewonnener Abstimmungsschlacht auch umgesetzt würde, ist natürlich eine andere Frage. Die Masseneinwanderungs-Initiative ist ja auch nicht umgesetzt worden.

Wie man das mit der Unterschriftensammlung angattigt, weiss ich nicht. Ich würde die Schriftstellerin Sibylle Berg fragen. Sie schaffte es im Nu, genügend Unterschriften für das Referendum gegen das Observationsgesetz zu sammeln. Wenn das eine Schriftstellerin mit deutschem Migrationshintergrund kann, sollte ich als Bio-Schweizer dazu auch in der Lage sein.

Dabei haben die Initianten, die in der «Tagesschau» zu Wort kamen, nicht ganz Unrecht. Hat ein Arbeitnehmer das 55. Altersjahr überschritten, erhöhen sich die Pensionskassenbeiträge. Somit kommt ein über 55-jähriger Angestellter bei gleichem Lohn und gleicher Qualifikation den Arbeitgeber teurer zu stehen als ein 50-Jähriger. Die Älteren sind auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt.

Doch so wie sich das die Initianten vorstellen, ist es nicht finanzierbar. Man müsste die geltenden Sparbeiträge der Jüngeren erhöhen und die der Älteren kürzen. Die Übergangsgeneration müsste massive Renteneinbussen in Kauf nehmen. Ein No Go.

Eine finanziell tragbare Lösung schlug Bundesrat Alain Berset vor vier Jahren in seinem Reformpaket Altersvorsorge 2020 vor. Danach wären die Pensionskassenbeiträge ab Alter 45 nicht mehr angestiegen. Das Problem wäre damit, wenn nicht gelöst, so doch markant gelindert worden. Leider zerzausten die Bundesparlamentarier den bundesrätlichen Reformvorschlag, um ein nicht mehrheitsfähiges Paket zu schnüren. Es wurde im September letzten Jahres an der Urne versenkt.

Ich bin gegen die Initiative; aber für den Vorschlag Berset. Zudem gehören Pensionskassenbeiträge ins Gesetz, nicht in die Verfassung. Doch wenn die Bundesparlamentarier nicht fähig  sind, sich auf  eine mehrheitsfähige Lösung zu einigen, entstehen halt Volksinitiativen wie diese. Unglaublich.

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