Gopfried Stutz mit Claude Chatelain
Der Diebstahl auswärts kann mir gestohlen bleiben

Massgebend ist nicht die objektive Wahrscheinlichkeit eines Schadens, sondern das Schadenpotenzial.
Publiziert: 30.09.2018 um 01:55 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2021 um 09:56 Uhr
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Über 6600 Franken geben Schweizerinnen und Schweizer Jahr für Jahr für Versicherungsprämien aus: Nur die Cayman Islands und Hongkong kommen gemäss Swiss Re auf höhere Pro-Kopf-Werte. Wir wollen daher die Gelegenheit nutzen, um über Sinn und Unsinn von Versicherungen zu sinnieren.

Häufig ist zu lesen: Erdbebenversicherungen seien ein totaler Quatsch. Die Wahrscheinlichkeit eines Erdbebens sei derart gering, dass diese Versicherung unnötig sei.

Wenn ich den Faden dieses Gedankens weiterspinne, müsste ich den ÖV-Schutzbrief der SBB empfehlen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einem im Zug etwas abhandenkommt, ist ziemlich gross geworden. Jedenfalls grösser, als dass ein Erdbeben in der Schweiz Häuser zerstört. Über den ÖV-Schutzbrief habe ich in meiner Kolumne vom 19. August geschrieben. Er kostet bloss 27 Franken im Jahr.

Doch matchentscheidend ist nicht die objektive Wahrscheinlichkeit eines Schadens, die sogenannte Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern das Schadenpotenzial. Ein zerstörtes Eigenheim kann einen in den Ruin treiben; der gestohlene Reisekoffer kaum. Im Strassenverkehr kann ein Personen- oder Sachschaden in die Millionen gehen. Die Autohaftpflichtversicherung ist deshalb obligatorisch.

Nicht obligatorisch ist die Privathaftpflicht, obschon ruinöse Schäden auch abseits von Autostrassen entstehen können, etwa auf Skipisten oder Kinderspielplätzen.

Bei der Reiseversicherung denken viele an die Annullationskostenversicherung. Dabei ist gerade dieser Schutz nicht essenziell. Der Schaden besteht höchstens darin, dass eine bezahlte Reise nicht angetreten werden kann. Elementar ist dagegen der Versicherungsschutz für eine allfällige Repatriierung. Muss man gesundheitshalber von einem fernen Land in die Heimat geflogen werden, kostet das je nach Flugdistanz Zehntausende von Franken. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist klein; das Schadenpotenzial gross. Bei einer Annullationskostenversicherung ist es gerade umgekehrt.

Völlig schräg sind gewisse Zahnversicherungen, die pro Jahr maximal 500 Franken abdecken. Bei einigen Schlaumeiern wird die Rechnung aufgehen, indem die vergütete Zahnarztrechnung die Jahresprämie übertrifft. Doch mit dem Wesen einer Versicherung hat das nichts zu tun.

Selbst die Versicherung gegen einfachen Diebstahl auswärts, die vier von fünf Haushalten abgeschlossen haben, konnte mir jahrelang gestohlen bleiben, denn die Schadensumme ist ja auf 2000 Franken beschränkt. Und dann muss man erst noch 200 Franken Selbstbehalt in Kauf nehmen und einen Polizeirapport beschaffen.

Als ich vor ein paar Wochen ein neues Velo kaufte (ein richtiges Velo, bitte sehr, kein E-Bike) habe ich nun trotzdem die Versicherung gegen einfachen Diebstahl auswärts abgeschlossen. Warum eigentlich? Weil ich ein typischer Schweizer bin.

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