Diese Begründung ist einleuchtend, aber ziemlich sicher eine Ausrede. Ihr Zögern ist wohl eher darin begründet, dass dieser Mann schon lange nicht mehr Ihr bester Freund ist – und sich nie etwas ereignet hat, das Sie dazu genötigt hätte, sich dies einzugestehen. Nun, mit dem Götti-Antrag ist ein solches Ereignis eingetreten: Sagen Sie Ja, verpflichten Sie sich für den Rest Ihres Lebens – dem Kind, aber auch dessen Eltern. Schrecken Sie jedoch hiervor zurück, vor allem vor Letzterem, müssen Sie konsequenterweise Nein sagen, was dann aber – ebenso konsequenterweise – auch ein Nein zu Ihrer Freundschaft ist.
Das Hadern, das Ihnen aus diesem Dilemma erwächst, ist gewiss leicht an der psychischen Verfassung der Partnerin festzumachen, tatsächlich ist es aber dem Umstand geschuldet, dass jemand, dem Sie mal nahegestanden sind, mit einer Frau zusammen ist, die ihm das Leben zur Hölle macht, und daran nichts ändert. Ihr Freund ist es, vor dem Sie abgestossen sind, nicht seine Partnerin. Sie können mit diesem Menschen heute nichts mehr anfangen.
Es ist sehr unschön, so was festzustellen, aber letztlich ist es egal, warum man keine Lust mehr hat, jemanden weiterhin in seinem Leben zu haben. Eine Beziehung, die nur Anlass zur Klage gibt, die man sich als Drittperson ständig anhören muss, ist ein ziemlich guter Grund. Manchmal hat man sich auch schlicht nichts mehr zu sagen, weil die Ähnlichkeiten, die einst zur Freundschaft geführt haben, nicht mehr vorhanden sind. Wichtig ist aber nur diese eine Frage: Wie nahe will ich diesem Menschen sein? Wenn die spontane Antwort lautet «sehr nahe», dann können Sie problemlos Götti werden. Lautet sie aber «nicht mehr nahe», dann sollten Sie das keinesfalls tun – aber aufrichtig Ihre Gründe dafür nennen. Das ist man einander schuldig.