Es gibt im Englischen einen derben, aber trefflichen Begriff: Askhole. Das ist jemand, der oder die einen ständig um Rat fragt und dann das exakte Gegenteil macht. Für das Gegenüber ist das natürlich doppelt mühsam: Erst muss man einen Abend lang diskutieren, um dann festzustellen, dass es verschwendete Zeit war. Askhole!
Dieses System funktioniert aber nur, weil Sie Ihre Rolle – jene der klugen Freundin mit dem stets offenen Ohr – so gut spielen. Sie sagen es ja selbst: Wenn es ums Ausweinen geht, sind Sie jedes Mal da. Was uns zur Frage bringt: Was haben Sie davon? Warum ist es wichtig für Sie, als emotionale Notärztin bereitzustehen? Warum ist es wichtig für Sie, kluge Ratschläge erteilen zu können? Warum müssen Sie Heldin und Weise sein? Schliesslich könnten Sie ja einfach sagen: Schau, du erlebst immer wieder die gleiche Geschichte, und ich kann dir offenbar nicht helfen. Bitte sprich mit jemand anderem darüber. Lass uns über andere Dinge reden.
Das wiederum führt zur nächsten Frage: Haben Sie überhaupt etwas anderes zu besprechen? Interessiert sich Ihre Freundin für Sie und Ihr Leben oder nur für sich selbst, und Ihre Beziehung erschöpft sich im Drama und dessen nutzloser Analyse?
Ihre Freundin leidet übrigens offenbar an Love and Sex Addiction, also an Liebes- und Sexsucht. Das ist ein ernsthaftes, fachlich anerkanntes und zum Glück therapierbares psychisches Problem. Aber indem Sie es nicht als solches benennen, sondern Ihre Freundin immer wieder trösten, verstärken Sie es nur. Man nennt das, um den dritten trefflichen englischen Begriff anzuwenden, Enabling, also Befähigung.
Solange Sie ihre Abstürze auffangen, wird Ihre Freundin sich immer wieder von irgendwelchen romantischen Balkonen stürzen. Helfen Sie ihr und rollen Sie das Sprungtuch ein.