Fix zur Gesellschaft
Wundgenuckelte Brustwarzen

Endlich geben Frauen zu, dass Babys einen fertigmachen können. So wie Charlize Theron im neuen Film «Tully». Das findet unsere Autorin mutig und gut.
Publiziert: 13.06.2018 um 17:07 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:02 Uhr
Oft erkennt man erst als Mutter, wie traumhaft oder albtraumhaft Kinder sein können.
Foto: Getty
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

«War am Sonntag müde, und es ist zurzeit anstrengend. Seit einem Jahr putzen, kochen, wickeln, füttern, schlafen legen. Kotzt mich manchmal an. Gestern hätte ich mir einfach kurz gewünscht, wieder mal für ein paar Stunden in mein ‹altes› Leben ­zurückzugehen.» Wenn die Freundin eine solche Nachricht schreibt, muss man erst einmal leer schlucken. Klar sah und merkte man, dass plötzlich Mutter sein auslaugend ist. Aber da kam ja nie ein Klagen, sondern bloss liebliche Worte über dieses kleine Wunder. Bis jetzt eben.

Dass man in einer Freundschaft von den Tiefschlägen in der anfänglichen Mutterschaft erzählt, ist weniger überraschend. Freunde – in guten wie in schlechten Zeiten. Doch es scheint, als ob Mütter in letzter Zeit vermehrt öffentlich sagen: «Es kackt mich manchmal im Fall auch an.» Es geht dabei nicht um «Regretting motherhood» (zu Deutsch: Be-dauern der Mutterschaft), sondern darum, offen zu sagen, dass man nicht mehr kann und auch wütend ist auf das kleine Ding. Nicht per se, aber eben auch.

Unverblümt beschreibt dies die Berner Sängerin Jaël Malli (Lunik) in der Wochen­zeitung «Bärner Bär». Sie spricht von wund­genuckelten Brustwarzen und erzählt, sie und ihr Partner hätten sich auch schon beim Gedanken erwischt: Haben wir uns das wirklich gut überlegt? Die Sängerin ist der Meinung, dass man ehrlich sagen dürfe, dass so ein Kind mal nervt und einen an seine Grenzen bringt. In einer Kolumne im «Migros Magazin» schreibt sie gar: «Ich habe den Hauch einer Ahnung gekriegt, wie es passieren kann, dass verzweifelte Eltern ihre Kinder schütteln.» Vorzeigemütter, die es locker hinnähmen, würden ein falsches Bild vermitteln. Auch in einem Gespräch zum Muttertag in der «Schweizer Illustrierten» präsentiert sich eine neue Mütter-Generation: Ex-Bachelorette Frieda Hodel erzählt im Interview, dass ihr der Dammriss bei der Geburt heute noch Schmerzen bereite.

Es soll was heissen, wenn das wirkliche Mutterdasein gar in der Traumfabrik Hollywood eine Rolle bekommt. Gerade läuft der Film «Tully» mit Charlize Theron im Kino. Sie spielt Marlo, eine überforderte Mutter, die ihr drittes Kind auf die Welt gebracht hat. Eine Szene beschreibt den Lebensrhythmus mit einem Säugling: Schreien. Licht an. Stillen. Abpumpen. Kind wiegen. Stillen. Waschen. Schlafen. Schreien. Licht an. Stillen. Abpumpen ... und dann läuft die ­Packung mit der gerade abgepumpten Muttermilch aus.

Jaël und Marlo ­zeigen, dass es kein Entweder-oder ist. Dass Babys traumhaft und albtraumhaft sind. Und dass man das als Mutter auch sagen darf. Soll! Denn die Realität zu leugnen, hilft keinem.

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