Präsident des ETH-Rates Michael Hengartner erklärt
Warum wir die Corona-App brauchen

Michael Hengartner ist Präsident des ETH-Rats – und damit so etwas wie der Chef-Forscher der Schweiz. In seiner Kolumne erklärt er Wissenswertes aus der Wissenschaft. Diese Woche: Wieso er die Corona-App installieren wird.
Publiziert: 09.05.2020 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2020 um 16:33 Uhr
Michael Hengartner (53) ist Präsident des ETH-Rats und Kolumnist im SonntagsBlick Magazin. Zuvor war der Biochemiker Rektor der Universität Zürich.
Foto: Nathalie Taiana
Michael Hengartner

Stellen Sie sich folgende Geschichte vor: Sie und ich sitzen uns morgen zufällig im Zug gegenüber. Vielleicht unterhalten wir uns ja! Darüber, wie schön wir es finden, dass das Leben wieder ein bisschen normaler wird.

Dann passiert etwas Dummes: Nach unserer Zugfahrt kriege ich Husten und Fieber – Coronavirus. Nun wäre es gut, wenn ich Sie warnen könnte – schliesslich haben wir uns so gut unterhalten! Warnen, dass ich Sie vielleicht angesteckt habe. Dass Sie sich testen lassen sollten. Dass Sie vielleicht gerade unwissentlich Ihre Familie und Freunde anstecken. Blöd nur, dass ich keine Ahnung habe, wie Sie heissen und wie ich Sie erreichen kann.

Diese Zugsgeschichte ist eine typische Corona-Story: Es dauert oft lange, bis man merkt, dass man infiziert ist. Nichtsahnend steckt man so Leute an, die das Virus ebenso nichtsahnend weiterverbreiten. Es wäre wichtig, dass wir die Ahnungslosen schnell warnen können. Aber wie?

Darauf haben Professorin Carmela Troncoso und ihre Kollegen von der EPFL und der ETH Zürich eine Antwort. Sie haben eine App entwickelt, mit der sich rekonstruieren lässt, wer wen getroffen und vielleicht angesteckt hat, und dies ohne Verlust der Privatsphäre.

Mit diesen Apps ist es ja ehrlich gesagt so eine Sache: Viele wissen zu viel. Google, Facebook, Whatsapp oder Instagram wissen, wo wir wohnen, wer unsere Freunde sind oder was wir alles im Internet tun. Eine Corona-App, die uns auf Schritt und Tritt überwacht, will in der Schweiz sicher niemand.

Deshalb hat der Schutz der Privatsphäre für Troncoso und ihr Team oberste Priorität. Die von ihnen entwickelte Schweizer Contact-Tracing-App finde ich persönlich vielversprechend – gerade weil sie sehr vieles nicht tut!

So gibt es zum Beispiel keine Ortung. Die App nutzt kein GPS, sondern sucht bloss per Bluetooth nach anderen Handys, welche in der Nähe (bis ein paar Meter weg) sind und die App auch geladen haben. Sitzen wir beide uns also im Zug gegenüber, dann wissen die Apps auf den zwei Handys, dass sie – sprich wir – sich recht lang recht nahe gekommen sind.

Sie wissen aber nicht, wo das war. Sie wissen ausserdem nicht, wie das Gegenüber hiess. Die Proximitätsdaten bleiben nämlich immer auf unseren eigenen Handys. Das Programm ist zudem offen: IT-Cracks können also völlig transparent schauen, wie die App funktioniert. Und 14 Tage nach unserer Zugfahrt vergisst die App, dass wir uns je begegnet sind. Denn wenn weder Sie noch ich bis dann erkrankt sind, dann war unsere Begegnung gesundheitlich unbedenklich.

Sollte ich aber – wie in der Geschichte – positiv auf Corona getestet werden, erhalte ich vom Bundesamt für Statistik einen Code und kann dann via App Alarm schlagen. Sie kriegen dann eine Nachricht, die Ihnen sagt, dass Sie vielleicht infiziert sind. So können Sie sich testen lassen. Und sich von Risikopatienten fernhalten, bis Sie wissen, ob Sie ansteckend sind.

Die App wird sehr bald sowohl für iPhone wie auch Android-Handys zur Verfügung stehen. Ich werde sie auf jeden Fall installieren.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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