ETH-Präsident Joël Mesot über Bildungspolitik
Vorteil Schweiz

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. In dieser Kolumne widmet er sich der Schweizer Berufslehre.
Publiziert: 10.08.2019 um 13:26 Uhr
Joël Mesot

In diesen Tagen beginnt für Tausende junger Menschen in der Schweiz ein neuer Lebens­abschnitt – sie beginnen ihre ­Berufslehre. Auch wenn es erstaunen mag, dass ein Hochschulpräsident der Berufslehre eine Kolumne widmet, so möchte ich es hier tun, weil diese für die ETH und die Schweiz von hohem Wert ist. Im ganzen ETH-Bereich – das sind die EPFL, die ETH, das Paul Scherrer Institut, die Empa, die Eawag sowie die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) – werden circa 500 Lernende zu Berufsleuten ausgebildet. ­Allein an der ETH Zürich sind es 170; und davon sind 52 junge Frauen und Männer soeben mit einer Projektwoche «Wald» ins ­Berufsleben gestartet.

Forschung an der ETH basiert oft auf Experimenten. Es gilt, Theorien und Hypothesen durch Versuche in Labors zu über­prüfen. Für solche Experimente braucht es Geräte und Apparaturen, für die unsere Handwerker in den Werkstätten mit viel Einfallsreichtum Prototypen entwickeln. Das Know-how unserer Berufsleute ist somit essenziell für viele Projekte in der Grundlagenforschung, wozu auch schon Lernende ihren Beitrag leisten.

Das kleinste Risiko, arbeitslos zu werden

Dass junge Berufsleute aus der Schweiz zu den Besten ihres Fachs gehören, beweisen sie regelmässig an den Berufsweltmeisterschaften WorldSkills. Die Schweizer Erfolgsgeschichte ist kein Zufall. Sie ist das Resultat eines fein austarierten Systems, in dem Bildungsinstitu­tionen, Privatwirtschaft und Berufsverbände eng miteinander zusammenarbeiten. Zu den Stärken der Schweizer ­Bildungslandschaft gehört auch, dass sie durchlässig ist und viele Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Wer eine Berufslehre erfolgreich abgeschlossen hat und sich über eine Fachhochschule oder eine höhere Fachhochschule weitere Berufsqualifikationen aneignet, hat zudem das kleinste Risiko aller Ausbildungen, arbeitslos zu werden.

Die Stärken des Schweizer Modells haben sich inzwischen im Ausland herumgesprochen, was sich u. a. am Interesse unseres Labors für Bildungssystem-Reformen zeigt, zu dem die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich kürzlich zum fünften Mal die Türen öffnete. Zwölf internationale Delegationen liessen sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Schweizer Erfahrungen inspirieren und diskutierten, was sich davon ins eigene Land übertragen lässt.

Das internationale Interesse ist eine Bestätigung 

Dass das Schweizer Modell nicht einfach «kopiert» werden kann, wird aus der unterschiedlichen Herkunft der Delegationen ersichtlich, die aus Chile, Costa Rica, Süd­afrika, Benin, Serbien, ­Nepal, Mikronesien und den USA kamen. Aus den USA waren die fünf Bundesstaaten Kalifornien, Colorado, ­Indiana, New York und Washington D.C. vertreten.

Ich bin überzeugt, dass wir in der Schweizer Bildungspolitik in der Vergangenheit vieles richtig gemacht haben, wozu auch ganz besonders das hohe Niveau der Berufsbildung zählt. Das Interesse anderer Länder an unserem System ist eine Bestä­tigung dafür. Wir tun deshalb gut daran, auf den anerkannten Stärken aufzubauen und weiter in unsere Zukunftsfähigkeit zu investieren.

Ihr Joël Mesot

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?