Eine Frage des Klimas
Was heisst Netto-Null?

Die Schweizer Bevölkerung hat das Klimagesetz am letzten Sonntag angenommen. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Klimaschutz im Land.
Publiziert: 26.06.2023 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 26.06.2023 um 08:47 Uhr
Sonia Seneviratne (48) ist ETH-Professorin für Land-Klima-Dynamik.
Foto: MANUEL RICKENBACHERPHOTOGRAPHER
Sonia I. Seneviratne

Was heisst genau «Netto-Null»? Wie viel davon ist einfach «Null» und wofür steht das «Netto»? Und wie kann man sicherstellen, dass wir tatsächlich Netto-Null erreichen?

Das Klimagesetz ist sehr explizit. Es definiert Netto-Null-Emissionen als «grösstmögliche Verminderung der Treibhausgas-Emissionen und Ausgleich der Wirkung der verbleibenden Emissionen durch die Anwendung von Negativemissionstechnologien». Die Negativemissionstechnologien sind auch explizit definiert als «biologische und technische Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Wäldern, in Böden, in Holzprodukten oder in anderen Kohlenstoffspeichern zu binden». Ein Netto-Null-Budget besteht also aus zwei Elementen: Treibhausgasemissionen reduzieren – und mit sogenannt «negativen Emissionen» dauerhaft CO2 aus der Atmosphäre entfernen.

Priorität muss aber ganz klar die Reduktion der Emissionen haben. In Szenarien, die gemäss Weltklimaratsberichten für eine Stabilisierung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C (ohne grosse Überschreitung) sorgen könnten, beträgt der Anteil der negativen Emissionen etwa 10 Prozent. Das heisst konkret: Wir müssen die jetzigen Treibhausgasemissionen um ca. 90 Prozent reduzieren. Bei «Netto-Null» sind also 90 Prozent «Null», und 10 Prozent müssen kompensiert werden.

Doch wie funktionieren überhaupt Negativemissions-Technologien? Das Schweizer Gesetz schreibt vor, dass das entfernte CO2 «dauerhaft» gebunden wird. Bei sogenannten Natursenken ist dies nicht immer gegeben. Nehmen wir zum Beispiel einen Wald. Der kann brennen oder abgeholzt werden. Auch bei technologischen Lösungen gibt es Herausforderungen, so muss zum Beispiel die ganze Ökobilanz betrachtet werden. Das ruft nach sorgfältigen Kontrollmechanismen.

Wir sehen, dass das Erreichen eines ausgeglichenen CO2-Budgets nicht trivial sein wird. Aber man kann es auch positiv betrachten: Es eröffnen sich neue Perspektiven für Innovation und die Wirtschaft: Schweizer und Schweizerinnen sind gut mit Zahlen und Budgets: Sie waren bisher für ihre Fähigkeiten der Finanzbranche bekannt, hoffentlich in Zukunft auch für das zuverlässige Berechnen von CO2- und Treibhausgasbudgets!

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?