Liebe Leserin, lieber Leser
Er schläft wohl schlecht in diesen Tagen. Nie habe er an die Angehörigen der Opfer gedacht, gesteht Jean Ziegler, alt Nationalrat der SP. 47 Menschen kamen 1970 bei Würenlingen ums Leben, als an Bord einer Swissair-Maschine eine Bombe detonierte. Die palästinensischen Attentäter waren bald ermittelt. Sie kamen nie vor Gericht, der Fall versandete. Die Angehörigen blieben allein mit ihrem Schrecken. Mit ihren Fragen. 46 Jahre lang. Bis heute.
Dieser Tage machte ein NZZ-Journalist publik: Ziegler hatte den damaligen Aussenminister Pierre Graber, Genosse auch er, mit den Palästinensern zusammengebracht. Sie schlossen einen Pakt. Die Terroristen würden die Schweiz künftig verschonen, dafür einen Platz auf dem internationalen Parkett bekommen. Und voilà: Weitere Attentate hierzulande blieben aus. 1974 bekam die Terrororganisation PLO Beobachterstatus bei der Uno. Ob es ein Teil des Deals war, Würenlingen in einem Berg aus Akten zu begraben? Die Recherchen lassen keinen anderen Schluss zu.
Hat Pierre Graber unmoralisch gehandelt? Hat Ziegler den Bundesrat zu einem Pakt mit dem Teufel bewogen? Was ist damals genau geschehen? Die Erinnerungen an die Zeit der dramatischen Flugzeugentführungen und blutigen Attentate sind längst verblasst. Für die meisten von uns. Für die Hinterbliebenen von Würenlingen nicht. Sie wollen wissen, warum die Täter nie vor Gericht kamen. Die Politik muss in die Gänge kommen, der Bund den Fall neu aufrollen.
Dass Jean Ziegler ein schlechtes Gewissen hat, reicht nicht. Auch wenn er sich heute bei Familienmitgliedern der Opfer entschuldigen will.
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Christine Maier