Liebe Leserin, lieber Leser
Nein, wir wollen Ihnen nicht den Sonntagmorgen verderben. Aber wir wissen, dass die Gefahr besteht, dies zu tun. Wir gehen auch davon aus, dass Sie sich ärgern werden. Und ekeln. So wie wir auf der Redaktion, als Kollege Cyrill Pinto die Geschichte des Walliser Pädophilen Marco J. erzählte.
Der geschiedene Vater zweier Buben fällt der Polizei erstmals 2006 auf, weil er auf seinem Computer verbotene Pornografie gespeichert hat. Es geht um Kinder und Tiere. Zwei Jahre später wird er zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Der Mann macht weiter, chattet und telefoniert mit Gleichgesinnten, beobachtet von der Polizei. 2010 kommt er erneut in Untersuchungshaft. Nach sechs Wochen ist er draussen.
Endlich, im Januar 2016, der Prozess: Marco J. muss ins Gefängnis. Er gilt als hochgefährlich. Und – halten Sie sich fest – in all den Jahren hatten ihn seine kleinen Buben an den Wochenenden besuchen dürfen. Niemand hatte der geschiedenen Mutter erzählt, was genau ihrem Ex-Mann vorgeworfen wird. Niemand hat die beiden Buben begleitet und beschützt.
Wir haben entschieden, heute über den Fall Marco J. zu berichten. Weil es bisher niemand getan hat. Weil wir aufzeigen wollen, dass auch in der Schweizer Justiz immer wieder mal getrödelt und geschlampt wird. Und weil wir wollen, dass die Behörden in solchen Fällen Gas geben.
Jetzt verstehen Sie sicher, dass wir in Kauf nehmen, Sie für einen kurzen Moment aus der Fassung zu bringen.
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Christine Maier