30'000 gemeldete Infektionen jeden Tag, die Dunkelziffer liegt bei mehr als 100'000. Omikron stellt unser Land vor nie da gewesene Herausforderungen, vor allem die Erwerbswelt. Auch unsere Redaktion arbeitet seit Wochen unter erschwerten Bedingungen – im Homeoffice und mit weniger Personal. Wieso präsentiert sich der SonntagsBlick ausgerechnet jetzt in einem neuen Kleid?
Weil der Zeitpunkt genau der richtige ist! Wenn die zwei letzten Jahre etwas gelehrt haben, dann dies: Die Pandemie mag uns bedrohen und im Alltag einschränken – umso wichtiger ist es, dass wir geistig offen bleiben. Der Ödnis des Virus begegnen wir mit einer frisch gestalteten Zeitung.
Das Bedürfnis nach verlässlichen Informationen und klarer Einordnung ist so gross wie lange nicht. Verlässlich sind und waren unsere Informationen schon immer, mit einem ruhigeren Layout schaffen wir nun auch optisch mehr Überblick. Dabei erfinden wir uns keineswegs neu, sondern entwickeln das bisherige Erscheinungsbild weiter. Das Design haben wir darum ganz bewusst intern entworfen: Reza Rafi, stellvertretender Chefredaktor, leitete das Projekt, Chris Waeber, Art Director des SonntagsBlick Magazins, leistete die kreative Feinarbeit. Der SonntagsBlick steht für Journalismus für Herz und Verstand – das neue Layout macht das noch besser sichtbar.
Selbstverständlich kann man zu Beginn des Jahres 2022 nicht über Medien schreiben, ohne auf die Abstimmung über das Medienförderungsgesetz vom 13. Februar einzugehen. Auch hier geht es um den Gegensatz zwischen Ödnis und geistiger Offenheit.
Schweizer Werbegelder fliessen zunehmend an Google und Co. Viele unserer Medien benötigen zusätzlichen Sauerstoff, um in den kommenden Jahren frei atmen zu können. Klar: SonntagsBlick würde ebenfalls vom neuen Gesetz profitieren. Wirklich überlebenswichtig sind die Bundesmittel aber für die kleineren Verlagshäuser ausserhalb der Zeitungsstadt Zürich. Für Titel wie die «Engadiner Post», die «Freiburger Nachrichten», den «Wohler Anzeiger».
Jan-Werner Müller lehrt Politologie an der amerikanischen Universität Princeton und gilt als Vordenker eines umsichtigen Liberalismus. In seinem neuen Buch «Freiheit, Gleichheit, Ungewissheit – Wie schafft man Demokratie?» analysiert er das dramatische Zeitungssterben in den Vereinigten Staaten. Seit 2004 ist dort jedes fünfte Lokalblatt verschwunden. Jan-Werner Müller schreibt: «Die Ausbreitung von ‹Pressewüsten› hat tiefgreifende politische Folgen. Die Korruption nimmt zu, da keine Journalisten mehr über Stadtratssitzungen und insbesondere über die Vergabe kommunaler Aufträge berichten. Das Interesse an Politik schwindet.» Und noch etwas hat der Professor beobachtet: «Der Rückgang echter Lokalnachrichten stärkt schädliche Polarisierungstrends.»
Tatsächlich wird der Widerstand gegen das Schweizer Mediengesetz vornehmlich von Publikationen befeuert, die polarisieren – und die ihr Geld nicht so sehr am Markt verdienen, sondern von der Unterstützung reicher Financiers aus dem rechten Lager leben. SVP-Doyen Christoph Blocher mischt seit den 1990er-Jahren als Geld- und Taktgeber in der Medien-Schweiz mit. Er und die Seinen versprechen sich vom Bankrott unliebsamer Konkurrenten einen politischen Vorteil.
Auch das sollte gesagt sein: Sollte die Medienförderung am 13. Februar effektiv zu Grabe getragen werden, lanciert die SVP vielleicht noch am selben Abend ihre bereits öffentlich angekündigte Volksinitiative zur Schwächung der SRG. Eines der bestimmenden Themen für den Wahlkampf 2023 wäre damit gesetzt.
Das Ringen zwischen Vielfalt und geistiger Ödnis ist längst nicht vorbei. Es fängt erst richtig an.