Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Schon jetzt dreht sich alles um die Bundesratswahlen

Je näher die Bundesratswahlen 2023 rücken, desto mehr wächst die Gefahr, dass die politischen Akteure Sachgeschäfte ausschliesslich nach dem parteipolitischen Nutzen beurteilen. Beim Urnengang zum Mediengesetz dürfte das bereits passiert sein.
Publiziert: 20.02.2022 um 11:53 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 13:52 Uhr
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Am Abstimmungssonntag bestritten Simonetta Sommaruga und Ueli Maurer gemeinsam eine Pressekonferenz. Die Bundesrätin hatte beim Urnengang für ein neues Mediengesetz eine Niederlage kassiert, ihr Kollege bei der Abschaffung der Stempelsteuer. Doch einzig Sommaruga wurde gefragt, und zwar von einem Journalisten der «NZZ»: «Sind Sie für Ihre weitere Amtsführung noch motiviert?»

Im Vordergrund dreht sich in der Politik alles um die Sache. Im Hintergrund freilich spielt ein anderer Film: die Bundesratswahlen 2023.

Bei den letzten Parlamentswahlen kamen die Grünen auf 13,2 Prozent, ernteten also mehr Zuspruch als die CVP. Gleichwohl beschied man der Öko-Partei damals: Um in die Landesregierung einziehen zu dürfen, müsse sie dieses Resultat vier Jahre später zumindest wiederholen. Derzeit deutet wenig darauf hin, dass sich der Erfolg von 2019 nicht abermals einstellt. Damit drängt sich zunehmend das Szenario auf: Muss jemand für die Grünen weichen? Und falls ja, wer?

Die FDP kam 2019 auf 15,1 Prozent, hat mit Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter allerdings gleich zwei Leute im Bundesrat. Entsprechend nervös operieren die beiden Magistraten. Altgediente in der Bundesverwaltung fühlen sich an den politischen Überlebenskampf der CVPler Ruth Metzler und Joseph Deiss erinnert – anno 2003 ging es darum, wer den Sessel für einen zweiten SVP-Bundesrat räumen sollte.

Nicht zuletzt die Rivalität zwischen dem Aussenminister und der Justizministerin führte vor einem Jahr zum hochnotpeinlichen Ende des Rahmenabkommens. Cassis und Keller-Sutter arbeiteten so lange gegeneinander, bis kein Weg mehr am Abbruch der Verhandlungen mit der EU vorbeiführte.

FDP-Präsident Thierry Burkart kann natürlich kein Interesse an dieser Selbstzerfleischung seiner Bundesräte haben. Und Mitte-Chef Gerhard Pfister weiss: Je nach Ausgang der kommenden National- und Ständeratswahlen könnte es auch der Mitte-Sitz sein, der auf dem Spiel steht. Burkart wie Pfister wären schlechte Strategen, würden sie nicht schon heute versuchen, den Druck von ihren Bundesräten auf andere umzuleiten. Und wo, bitte schön, soll dieser Druck anders landen als bei den Sozialdemokraten? Bei der wählerstärksten Partei, der SVP, würde es auf alle Fälle noch schwieriger.

Je näher die Bundesratswahlen 2023 rücken, desto mehr wächst die Gefahr, dass die Oberen von FDP und Mitte Sachgeschäfte ausschliesslich nach dem parteipolitischen Nutzen beurteilen. Die Vermutung lässt sich nicht von der Hand weisen, dass genau dies beim Urnengang zum Mediengesetz bereits passiert ist. Thierry Burkart und Gerhard Pfister sprachen sich für ein Nein aus – und dies, obschon die Vorlage im Parlament wesentlich von Vertretern der FDP und der Mitte geprägt worden war. Die Versuchung, die Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga zu schwächen, war einfach zu gross.

Die Frage des «NZZ»-Journalisten an Sommaruga, nicht aber an den glücklosen Ueli Maurer, belegt den Verdacht: Die Rechnung geht bislang auf.

Grünen-Chef Balthasar Glättli übrigens wollte vor ein paar Monaten nicht ausschliessen, dass seine Partei der SP einen Sitz in der Exekutive streitig machen wird. Nach heftigem internem Protest hat Glättli diese Ansage zwar zurückgezogen. Doch wie wird er sich verhalten, sollte sich die Machtfrage im Dezember 2023 ganz konkret stellen?

Und die SP selbst? Mattea Meyer und Cédric Wermuth übernahmen vor einem Jahr mit dem Anspruch, die SP wieder deutlicher als soziale Bewegung auch ausserhalb des Bundeshauses zu etablieren. Ob und inwiefern sich dieser Plan bei Volksabstimmungen und Wahlen auszahlt, wird sich weisen. Offensichtlich ist für den Moment bloss, dass die Co-Chefs der SP die institutionalisierte Politik innerhalb des Bundeshauses vernachlässigen.

Dem bürgerlichen Powerplay in Sachen Bundesrat haben sie bisher jedenfalls kaum etwas entgegenzusetzen.

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