Vielen gilt sie als Reinkarnation ihres Vaters. Die SVP arbeitet bewusst mit diesem Image. Wann immer möglich, wird Magdalena Martullo der Öffentlichkeit als natürliche Erbin des Ausnahmepolitikers Christoph Blocher und als neue starke Figur ihrer Partei präsentiert.
Martullo selber begründet ihren Anspruch auf politische Meinungsführerschaft mit ihrem Erfolg als Chefin des Milliardenkonzerns Ems-Chemie. Damit stellt sich die 50-Jährige in die lange Tradition des Industriellen-Parlamentariers. Diesen ganz besonderen Politikertypus kennt unser Bundesstaat seit seiner Gründung 1848. Klangvolle Namen finden sich in den Annalen des Parlaments. Drei Generationen der Schuhfabrikantenfamilien Bally zum Beispiel. Drei Generationen Schmidheiny. Drei Generationen Sulzer. Der Schokoladenkönig Alexandre-François-Louis Cailler.
Diese Politiker betrachteten den Staat in erster Linie als eine Art Dienstleister für ihre Firmen. Da war es praktisch, wenn sie in Bern – dem Milizsystem sei Dank – gleich selber zum Rechten schauen konnten. Und ja: Dem Wort dieser schwerreichen National- und Ständeräte kam stets ein besonderes Gewicht zu.
Seit die Schweizer Wirtschaft vermehrt internationale Manager anheuert, ist der Industriellen-Politiker selten geworden. Der Mythos des überlegenen Machertypen hätte selbstverständlich trotzdem fortbestehen können. Leider nur beging ein gefeierter Industriellen-Parlamentarier vor neun Jahren den kapitalen Fehler, sich in den Bundesrat wählen zu lassen. Dort schrumpfte Johann Schneider-Ammann vor unser aller Augen auf ein müdes Mittelmass.
Tatsächlich war es so gewesen, dass Schneider-Ammann schon als Nationalrat keine Stricke zerrissen hatte. Bloss war das damals niemandem aufgefallen. Viel zu hell leuchtete sein Heiligenschein als Patron und Maschinenhersteller aus Langenthal.
Wie sieht es bei der jüngsten Vertreterin der Spezies Industriellen-Parlamentarier aus? Magdalena Martullo ist die erfolgreichste Unternehmerin des Landes, da gibt es nichts zu deuteln. Eine Ausnahmepolitikerin ist sie aber nicht. Im Gegenteil: Nach vier Jahren hat Martullo im Nationalrat kaum Tritt gefasst.
Zwar sitzt die studierte Betriebswirtschafterin für ihre SVP in der wichtigen Wirtschaftskommission. Die Federführung bei den verschiedenen Dossiers überlässt sie dort allerdings den Parteikollegen, namentlich dem Fraktionspräsidenten Thomas Aeschi. Einen einzigen Vorstoss hat Magdalena Martullo bislang eingereicht. Ebenfalls ein einziges Mal hat sie sich mit Herzblut für eine Sache engagiert: Als der Bundesrat vorschlug, Dividenden höher zu besteuern, stellte sich ihm Martullo entgegen.
So lautet die überraschende Bilanz der Politikerin Magdalena Martullo nach einer Legislatur im Bundeshaus: Gewiss, sie ist die leibhaftige Tochter von SVP-Übervater Christoph Blocher. Doch hinter einer rauen Schale schlummert – eine weibliche Ausgabe von Johann Schneider-Ammann.