Einer der besten Romane aller Zeiten ist «Hundert Jahre Einsamkeit» von Gabriel García Márquez. Am Ende des Buches gelingt es dem wunderlichen Aureliano Babilonia jene alten Schriften zu entziffern, die seit Generationen im Haus herumgelegen sind, aber nie jemand verstanden hat. Was er da zu lesen bekommt, ist ausgesprochen unerfreulich: Es ist die Nachricht seines eigenen Todes. Aureliano erfährt, wie jetzt gleich ein biblischer Taifun über ihn hereinbricht und mit ihm das ganze Dorf und alles Leben zerstört.
Der kolumbianische Dichter García Márquez hat seinen mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Roman vor über einem halben Jahrhundert geschrieben. Das Ende der Geschichte liest sich allerdings wie eine Allegorie auf unsere Gegenwart.
Es ist nicht lange her, da verbrachte die Menschheit ihr Dasein in Unwissenheit. Die Gelehrten schätzen das Alter unseres Planeten auf ein paar tausend Jahre. Man wusste nichts von der Evolution der Arten und glaubte, Krankheiten entstünden irgendwie durch faulige Luft. Heute kommt die Wissenschaft jeden Tag ein Stück mehr hinter die Geheimnisse und Zusammenhänge des Lebens. Doch just in diesem Moment ist dieses Leben akut bedroht.
Die Zahl der Säugetiere, der Fische, Reptilien, Vögel, Insekten nimmt dramatisch ab. Biologen sagen: Wir erleben das sechste Massenaussterben, und schuld daran ist der Mensch. Um die Dimension dieser Aussage zu erahnen, muss man wissen: Das fünfte
Massenaussterben betraf die Dinosaurier.
Dabei geht es heute nicht nur um die Aufheizung des Klimas. Es geht auch um Plastik in den Meeren, die Vergiftung der Böden, es geht um den exzessiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.
Die Vorgänge übersteigen unser Denkvermögen. So viel jedoch lässt sich zweifelsfrei feststellen: Wir Menschen verstehen uns als Krone der Schöpfung, nicht als Teil eines Ökosystems. Die Umwelt wird entweder beherrscht und nutzbar gemacht oder dann vernichtet.
Das mag die letzten 10'000 Jahre einigermassen funktioniert haben. Nun haben wir den Bogen überspannt. Hier nur zwei Kennzahlen: Die Bauern setzen heute 50-mal mehr Pestizide ein als im Jahr 1950. Dabei landen 90 Prozent der Giftstoffe auf Organismen, die eigentlich gar nicht getötet werden sollten.
Und jetzt? Können wir in Panik verfallen. Die Schultern zucken. Oder wir können darauf achten, dass unser Dasein weniger in Opposition zu anderen Lebensformen steht. Man kann beispielsweise Nahrungsmittel kaufen, die ohne Giftschirm gewachsen sind. Und man kann sich im Restaurant nach solchen Speisen erkundigen. Wie meine Kollegin Rachel Hämmerli im nebenstehenden Text aufzeigt, tut dies heute kein Mensch – und wo die Nachfrage fehlt, da gibt es auch kein Angebot.
Das wäre zumindest ein guter Anfang.