Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Durch diese Krise kommen wir nur mit Kreativität

In der Pandemie zeigen sich immer dann Lichtblicke, wenn Staat, Wirtschaft und Wissenschaft eng miteinander zusammenarbeiten. Leider fehlt dieser Geist der Offenheit viel zu oft.
Publiziert: 31.01.2021 um 09:56 Uhr
Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Paul Seewer
Gieri Cavelty

Die Pandemie bringt von allem das Schlechteste zum Vorschein. Und das Beste.

Im Herbst waren viele Kantone ausserstande, auf den Anstieg der Infektionen angemessen zu reagieren – die Zahl der ­Corona-Toten schnellte in die Höhe. Als Gegenbeispiel tut sich jetzt Graubünden positiv hervor. Vor einer Woche berichtete SonntagsBlick darüber, in der aktuellen Ausgabe vertiefen wir das Thema weiter: Die Behörden im Bergkanton wollen die Ausbreitung des Virus durch regelmässiges Testen eines grossen Teils der Bevölkerung verhindern. Gelingt das Experiment, bräuchte es weniger Ein­schränkungen des öffentlichen Lebens. Die Bündner hätten viel Freiheit ­zurück, der Kanton würde zum Vorbild fürs ganze Land, der Föderalismus wäre rehabilitiert.

Die tödliche Trödelei vom Herbst auf der einen, der ­Bündner Feldversuch auf der an­deren Seite: In beiden Fällen spielt die Nähe der kantonalen Politik zur Wirtschaft vor Ort eine Rolle. Es kam zur Kata­strophe, weil die Regierungs­räte das Gewerbe nicht mit ­Geschäftsschliessungen behel­ligen wollten. Es kommt nun zur Testoffensive, weil man in Chur jenem Bergbahnbetreiber aus der Surselva ein offenes Ohr lieh, der als Erster die Idee dazu hatte.

Nähe allein gibt also keinen Hinweis darauf, wie wir durch die Krise kommen. Entscheidend ist, ob sich aus der Nähe zwischen Staat und Wirtschaft echte Zusammenarbeit ­ergibt. Einfach die Einkaufs­läden offen halten, ist ­keine Kooperation, sondern Komplizenschaft. Was es in der Krise wirklich braucht, sind ­ ungewöhnliche Denkansätze. Hier kommt die Wissenschaft ins Spiel.

Während die Nagelprobe fürs Bündner Modell noch aussteht, hat sich die Kooperation von Staat, Wirtschaft und Forschung bei der Entwicklung ­eines Corona-Impfstoffs bereits bewährt: beim Vakzin von ­Moderna, das auf einer völlig neuen Technologie beruht und von dem die Schweiz 7,5 Millionen Dosen bestellt hat.

Moderna wurde erst 2010 in den USA gegründet, kurz nachdem Präsident Obama gross­zügige Geldspritzen für die ­Entwicklung einer neuen Gene­ra­tion von Impfungen in Aussicht gestellt hatte. Bis 2015 ­erhielt Moderna für seine Forschungen 150 Millionen Dollar aus Washington. In den letzten Monaten – als es konkret um Covid ging – überwies die ­Regierung Trump dann sogar 2,5 Milliarden Dollar.

Das Gegenstück zur Erfolgs­story von Moderna haben wir im SonntagsBlick vor zwei ­Wochen erzählt. Es ist die ­Geschichte von Steve Pascolo, der heute als Privatdozent am Unispital ­Zürich tätig ist. 2004 publizierte Pascolo den aller­ersten Übersichtsartikel, der je über genau die Technologie ­verfasst wurde, mit der Moderna nun ­arbeitet. Leider nur wollte hierzulande nie jemand Pascolos Forschung finanziell unterstützen.

Die Pandemie kann das Beste zum Vorschein bringen, wenn Akteure aus unterschiedlichen Bereichen gemeinsam neue Wege beschreiten. Denn wenn das Haus brennt, führt der ­altbewährte Weg durch die Wohnungstür plötzlich ins ­Verderben. Die Pandemie bringt das Schlechteste zum Vorschein, wenn dieser Geist der Offenheit fehlt.

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