Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Die neue Strategie wird unser Leben verändern

Jede Firma und jede Schule soll mindestens ein Mal pro Woche Coronatests durchführen. Logistisch betrachtet eine Mondlandung, die Kosten sind entsprechend hoch. Doch das Geld ist gut angelegt. Es ist der Preis der Freiheit.
Publiziert: 07.03.2021 um 00:53 Uhr
Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Paul Seewer

Alain Berset bekommt wieder Boden unter die Füsse. Nach wochenlanger Kritik an seiner Krisenpolitik ging der Gesundheitsminister am Freitag in die Offensive. Er überzeugte den Bundesrat von einer Teststrategie, die einen Ausweg aus der gegenwärtigen Situation zwischen Lethargie und Aufruhr weist. Eine Strategie, die es ermöglichen könnte, die Pandemie in Schach zu halten, ohne das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weiterhin abzuwürgen.

In den Firmen und Schulen des ­Landes sollen mindestens einmal pro Woche Covid-Tests durchgeführt werden. Entweder gibt es Spucktests; die Proben werden eingesammelt und im Labor analysiert. Alternativ dazu finden in einigen Kantonen die unangenehmen Tests per Nasen­abstrich statt. Logistisch betrachtet ist das eine Mondlandung, die Kosten sind entsprechend hoch.

Berset zögerte seinen Befreiungsschlag lange hinaus. Im Prinzip ­stellte die Landesregierung bereits im Januar die Finanzierung von ­Massentests in Aussicht. Doch wie sich zeigte, hätten die Kantone ­enorme administrative Hürden überwinden müssen, um an dieses Geld zu kommen. So verordneten bisher nur Graubünden, das Baselbiet und Zug regelmässige Massenscreenings; inzwischen können diese Kantone erste vielversprechende Resultate vorweisen. Alle anderen sträubten sich. Die Kantonsärzte rieten ab, die Regierungen scheuten Kosten und Umtriebe.

Bersets Plan geht nun in die ­Vernehmlassung, definitiv in Kraft gesetzt wird er in ein paar Tagen. Dann kommen die Kantone hoffentlich einfacher an die Zuschüsse aus Bern – und können gar nicht mehr anders, als mit dem grossflächigen Testen endlich loszulegen. Wobei die Gefahr besteht, dass einige Kantone zumindest in der Anfangsphase heillos über­fordert sein werden. Geld allein löst keine organisatorischen Probleme.

Darum die Frage: Gibt es keine Alternative zu den häufigen Tests in Unternehmen und Lehranstalten?

Schnelltests für den Hausgebrauch, die kein Labor benötigen, sondern binnen Minuten ein Ergebnis liefern, wären in der Tat sehr viel leichter zu handhaben. Österreich verlässt sich ganz auf diese Methode, und auch Alain Berset will sie in seine Strategie einbauen. Obwohl solche Tests hierzulande noch gar nicht zugelassen sind, kündigte Berset an, dass jedem Schweizer monatlich fünf davon zur Verfügung stehen sollen. Sie könnten dereinst beispielsweise vor einem Restaurantbesuch zum Einsatz kommen.

Dieses Do-it-yourself-Verfahren mag als ergänzende Massnahme seine ­Berechtigung haben. Als tragender Pfeiler für ein Öffnungskonzept taugen die heutigen Selbsttests freilich nicht. Studien zeigen: Infizierte ohne Symptome werden nur im Ausnahmefall entdeckt. Das bedeutet, dass Virenträger mit bestem Gewissen in der Gegend herumlaufen und andere anstecken können. Unter Kontrolle bringen lässt sich die Pandemie auf diese Weise nicht.

Eine andere Option wählten Länder in Asien. Taiwan und Südkorea, allen voran China setzen zur Eindämmung der Pandemie praktisch uneingeschränkt auf digitale Überwachung. Das kommt für die Schweiz natürlich erst recht nicht infrage.

Ja, der Bundesrat beschreitet mit ­seiner Testoffensive den aufwendigsten Weg, den Weg der analogen Spitzentechnologie. Welches Vor­gehen aber würde besser zur Schweiz passen, einem Land der soliden Feinmechanik?

Die gute Nachricht vom Freitag hat gleichwohl eine Kehrseite. Dass die Massentests forciert werden müssen, zeigt: Beim Impfen geht es weniger gut voran als erhofft.

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