Editorial
Vielleicht geht es auch nur um 40 Mio. Franken. Wer weiss das schon genau?

In der Subventionsaffäre wollte Postchefin Susanne Ruoff sofort zur Tagesordnung zurück – und das um jeden Preis.
Publiziert: 24.02.2018 um 23:23 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:02 Uhr
Gieri Cavelty
Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Paul Seewer


Man kann es auch so sehen: Die Postauto AG erschleicht sich Subventionen von der öffentlichen Hand. Die Post als Muttergesellschaft steigert damit ihren Gewinn. Und liefert diesen wiederum an die öffentliche Hand ab.

Die Post, ein Perpetuum mobile?

Diese Lesart ist zumindest nicht total verkehrt. Sie verkennt jedoch die kriminelle Energie hinter der Subventionsaffäre. Hunderttausende Falschbuchungen wurden getätigt! Laut Bundesamt für Verkehr (BAV) geht es um ertrogene Subventionen in der Höhe von 78,3 Millionen Franken!

Freilich – und hier zeigt sich der spezielle Charakter der Affäre: Es lässt sich zurzeit nicht ausschliessen, dass die Deliktsumme in Wahrheit tiefer liegt.

Postintern jedenfalls spricht man von einem Betrag von lediglich 40 Millionen Franken. Dennoch akzeptierte Konzernchefin Susanne Ruoff die BAV-Berechnung von 78,3 Millionen klaglos. Und versprach, das Geld postwendend zurückzuzahlen.

Zugleich präsentierte Susanne Ruoff der Öffentlichkeit mit Postauto-Chef Daniel Landolf einen Schuldigen.
Alles sollte schnell gehen. Nur rasch wieder zur Tagesordnung!

Die Rechnung wäre beinahe aufgegangen. Bloss fuhr dann der BLICK den Beteiligten in die Parade. Er publizierte jene famose Aktennotiz, wonach die Postspitze bereits 2013 von krummen Touren wusste.

Die Recherchen nötigten den Post-Verwaltungsrat zu einer internen Untersuchung. Unter Zugzwang sah sich auch das Bundesamt für Verkehr. Für die Behörde war die Sache eigentlich erledigt gewesen. Nun aber musste sie demonstrieren, dass mit ihr nicht zu spassen ist.

Überstürzt erstat­tete das BAV bei der Bundesanwaltschaft jene Strafanzeige, die diese Woche unverrichteter Dinge an den Absender retourniert wurde. Der Bundesanwalt erklärte sich für nicht zuständig.

Vordergründig verkommt die Affäre damit zur Posse. Dabei ist sie ein Lehrstück dafür, woran Bundesbetriebe grundsätzlich kranken: an ihrer symbiotischen Beziehung zum Staat, ihrem Eigentümer und Kontrolleur, ihrem Gesetz- und Subven­tionsgeber.

Gewiss: Es war das Bundesamt für Verkehr, das den Missbrauch aufgedeckt hatte. Allerdings war das Amt bei den Pöstlern immer an Bord. Post und BAV handeln alle zwei Jahre die Höhe der Subventionen aus. Man darf sich das wie ein Pokerspiel unter Kumpels vorstellen: Jeder versucht, etwas mehr für sich herauszuschlagen, vor allem aber verbringt man eine tolle Zeit miteinander.

Angesichts des politischen Drucks wird die Subventionsaffäre – trotz Absage des Bundesanwalts – in jedem Fall strafrechtlich untersucht werden. Von Spezialisten aus dem Finanzdepartement etwa oder von einem externen Ermittler.

Bleiben wird das Grundproblem, die Symbiose von Bund und Bundesbetrieb.

In der «NZZ am Sonntag» forderte Matthias Finger, Professor für Infrastruktur, die Schaffung einer unabhängigen Kontrollbehörde für den öffentlichen Verkehr.

Das klingt prima. Nur: Für die Briefpost gibt es einen solchen Regulator schon lange. Die Behörde heisst Postcom und erweckt beim besten Willen nicht den Eindruck, dass sie der Post strenger auf die Finger schaut als das BAV. Im Gegenteil!

Übrigens lebt auch Professor Finger in Symbiose mit der Post. Der gelbe Riese finanziert seinen Lehrstuhl an der ETH Lausanne.

Die Schweizerische Post ist vielleicht kein perfektes Perpetuum mobile – aber mit Sicherheit eine gut vernetzte Geldumverteilungs-Maschine!

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