Editorial
«Öffnen Sie die Bücher, Toni Brunner!»

Publiziert: 21.06.2015 um 00:21 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:29 Uhr
Von Christine Maier, Chefredaktorin

Michi wurde seinen Eltern weggenommen, weil sie sich ums Sorgerecht stritten. Er kam ins Heim. Wurde bei einer französischen Pflegefamilie platziert. Musste hart arbeiten. Heute ist Michi 14, tat nie jemandem etwas zuleide und hat nur einen Wunsch: Er will heim zu seinem Mami, zu seiner Familie. Die möchte das auch. Doch die Behörden stellen auf stur.

Wir schreiben das Jahr 2015. Nicht 1900 oder 1960, als Kinder zu Tausenden verdingt wurden. Noch immer schämen wir uns für dieses dunkle Kapitel Schweizer Geschichte. Diskutieren über Wiedergutmachung. Nun aber besteht tatsächlich die Gefahr, dass ein «modernes Verdingkindwesen» entsteht! 

Die Kinderschicksale, die wir auf den folgenden Seiten beschreiben, sind keine Einzelfälle. Wie viele Schweizer Kinder und Jugendliche im Ausland platziert werden, darüber gibt es keine Zahlen. Ebenso unklar ist, warum die Schweiz die Kontrolle über die Familien und Institutionen dort aus der Hand gibt und die Geldflüsse zwischen den Organisationen nicht offenlegt. Die Schweizer Behörden täten gut daran, Transparenz zu schaffen. Nur so verhindern wir, dass sich die Geschichte wiederholt.

Und noch ein Gedanke zur Transparenz: Zum ersten Mal legen in diesem SonntagsBlick nationale Bauernpolitiker offen, wie viel an Direktzahlungen sie kassieren. Ausgerechnet drei SVP-Politiker, die zu Hause bauern, verweigern die Auskunft. Das sei Privatsache, meint der SVP-Präsident. Stimmt nicht, Toni Brunner! Gerade weil Sie und Ihre Kollegen in Bern die Grösse Ihres Einkommens mitbestimmen, besteht ein grosses öffentliches Inter­esse daran, wie viel Steuergeld auf Ihrem Hof im Toggenburg landet. Gehen Sie also über die Bücher! Und öffnen Sie sie.

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