Editorial
«Keiner wird Juncker morgen bejubeln»

Publiziert: 18.09.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 08:50 Uhr
Katia Murmann

 

Liebe Leserin, lieber Leser

Morgen ist es genau 70 Jahre her, dass Winston Churchill in Zürich seine Vision der Vereinigten Staaten von Europa entwarf. Zehntausende bejubelten ihn und seine Botschaft: «Let Europe arise», lasst Europa entstehen!

Sie feierten den britischen Kriegspremier wie einen Helden. Und das war er.

Morgen wird erneut ein europäischer Spitzenpolitiker die Schweiz besuchen. Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, soll an der Uni Zürich an Churchills Rede erinnern. Bejubeln wird ihn keiner. Mit dem vereinten Europa verbindet heute kaum noch jemand Hoffnungen oder gar Visionen.

Gerade erst hat Churchills Heimatland seinen Austritt aus der EU erklärt – und die Schweiz ist von der Union weiter entfernt denn je.

Grösster Zankapfel ist die Masseneinwanderungs-Initiative. Seit zweieinhalb Jahren quält sich die Politik in Bern mit deren Umsetzung. Jetzt zeigt eine Umfrage des SonntagsBlicks: Auch heute würde das Volk wieder Ja zur Initiative sagen. Zugleich macht die Erhebung klar: Die Schweiz ist zweigeteilt, keines der beiden Lager bereit zum Kompromiss. Die politische Mitte, seit Jahrzehnten Rückgrat und Erfolgsgarant, wird zunehmend ausgehöhlt. Das ist gefährlich – so gefährlich wie die Tatsache, dass immer mehr Menschen den Glauben an die Kraft eines vereinten Europa verlieren.

Aufgabe der Volksvertreter im Nationalrat ist es, dafür zu sorgen, dass die Kluft zwischen den Polen nicht noch grösser wird. Dabei dürfen sie sich nicht um den Verfassungsauftrag foutieren. Wer die Rechtsstaatlichkeit opfert, öffnet dem Populismus Tür und Tor.

Wie Europa braucht die Schweiz keine Populisten, sondern Politiker mit Visionen – und dem Mut, sie zu verwirk­lichen.

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Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Katia Murmann

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