Das meint SonntagsBlick
Die SP kann verhindern, dass Cassis zum Aussenminister der SVP wird

Publiziert: 17.09.2017 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 10:10 Uhr
Gieri Cavelty
Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Paul Seewer

Die Statistik spricht eine klare Sprache: Italienisch. Demnach wird am Mittwoch der Tessiner Ignazio Cassis zum Bundesrat gekürt. 109 Männer sind seit 1848 in die Landesregierung gewählt worden, nur acht von ihnen hatten vorher nicht im National- oder Ständerat politisiert. So laut Pierre Maudet die Werbetrommel rührt: Gegen das Naturgesetz, dass Parlamentarier Parlamentarier vorziehen, wird der Genfer Staatsrat ohne Bundeshaus-Vergangenheit kaum ankommen.

Bei den Frauen ist es gerade umgekehrt. Die meisten Bundesrätinnen übten vor ihrer Wahl kein Mandat in Bundesbern aus. Und jene Parlamentarierinnen, die es gleichwohl an die Spitze schafften, hatten eine ganz andere Stellung als die Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret. Doris Leuthard war CVP-Chefin, Simonetta Sommaruga Berner Ständerätin und langjährige Präsidentin des Konsumentenschutzes. Moret dagegen ist eine Einzelkämpferin ohne Hausmacht.

Darum aber geht es bei Bundesratswahlen: um Vernetzung, um Abhängigkeiten und – vor allem – um die vermeintliche Berechenbarkeit der Kandidierenden. Niemand ist mehr Bestandteil dieses Berner Biotops als Ignazio Cassis. Als letztes Kriterium kommt hinzu, dass der FDP-Fraktionschef als Katholik die volle Sympathie der CVP geniesst.

Die Frage dürfte also weniger sein, ob Cassis gewählt wird, sondern im wievielten Wahlgang. Von dieser Frage freilich hängt einiges ab.

Ungewöhnlich früh hat die SVP diese Woche ihre Unterstützung für Cassis bekannt gegeben. Alles spricht dafür, dass der Neugewählte Aussenminister wird – die SVP will ihn in die Pflicht nehmen und Cassis als ihren Agenten im Aussendepartement installieren.

Vor diesem Hintergrund wäre die SP strategisch gut beraten, wenn auch sie Ignazio Cassis schon im ersten Wahlgang die Stimme geben würde. Wie gesagt: Der Mann dürfte ohnehin Bundesrat werden. Mit ihrer uneingeschränkten Unterstützung jedoch können die Sozialdemokraten ver­hindern, dass er ein Magistrat von Gnaden der SVP wird – mithin zum Aussenminister der Rechten.

Die Schweiz ist angewiesen auf gutes Einvernehmen mit den Nachbarländern und mit der EU als ihrem wichtigsten Handelspartner. Das Land braucht einen Aussenminister, der mit Brüssel Ver­ständigung sucht statt Konfrontation. Auch wenn Cassis der SVP in den letzten Tagen eindeutig viel zu schöne Augen gemacht hat: Er ist immer noch ein Freisinniger, der weiss, dass die Schweiz nichts ­gewinnt, wenn sie Europa vor den Kopf stösst.

Ebenso wichtig ist, dass der Aussenminister diese Politik der Verständigung in der heimischen Arena verteidigt. Dazu gehört insbeson­dere der Auftritt im Säli der «Sternen» und «Löwen» landauf, landab.
Didier Burkhalter hat sich vor dieser Knochenarbeit stets gescheut. Jahre sind so verplempert worden, viel zu viele anti­europäische Vorurteile konnten sich während dieser Zeit in unseren Köpfen festsetzen.

Wem aber muss der Aussenminister bei der Gestaltung einer intelligenten, pragmatischen Europa­politik entgegentreten? Richtig: der SVP. Dem neuen Bundesrat stehen intensive Jahre bevor! Die Linke hat am Mittwoch die Chance und die Verantwortung, sich Ignazio Cassis von Beginn weg an die Seite zu stellen.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen

Gieri Cavelty

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