Im Wahljahr 2003 forderten die Grünen «Massnahmen für eine griffige Klimapolitik». Auf ihrer Website – ja, so etwas gab es schon damals – schrieb die Partei: «Der heisse und trockene Sommer ist ein untrügliches Zeichen für die rasche Klimaerwärmung. Die Grünen Schweiz haben als einzige Partei diese bedrohliche Entwicklung ernst genommen und – trotz der Hitze – Vorschläge gemacht für eine echte Klimapolitik.»
Im Wahljahr 2007 lancierten die Grünen eine Volksinitiative zum Schutz des Klimas. Ziel war eine merkliche Senkung des CO2-Ausstosses. «Wir haben eine Klimawahl», sagte ein Grünen-Nationalrat vor den Medien. «Der Klimaschutz ist das zentrale Thema des Wahlkampfes.»
So weit, so eindrücklich. Bloss: Ohne die Unterstützung von SP und Umweltverbänden wären die nötigen Unterschriften für die Volksinitiative nicht zusammengekommen. Und: Beim zitierten Nationalrat handelte es sich um den mittlerweile verstorbenen Daniel Vischer. Als Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina hatte sich Vischer in erster Linie der Kritik an Israel verschrieben. Klimapolitik dagegen gehörte eindeutig nicht zu seinem Portfolio.
Wie Daniel Vischer kam damals ein Grossteil der Grünen im Bundeshaus daher. Natürlich bekannten sie sich alle irgendwie zum Umweltschutz, ihre wahre Leidenschaft freilich galt anderen, häufig ebenso entlegenen wie heiklen Themen. Die Palästina-Freunde zum Beispiel sahen sich regelmässig dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt.
Im Wahljahr 2019 sieht alles anders aus. Das Klima ist das beherrschende Thema. Und die Grünen erscheinen als eine Partei, die tatsächlich etwas zu sagen hat. Man positioniert sich politisch immer noch klar links. Mit der ehemaligen Stadtberner Exekutivpolitikerin Regula Rytz an der Spitze wirken die Grünen heute allerdings gereift und seriös. Die Wahl des Solar-Ingenieurs Martin Neukom in den Zürcher Regierungsrat unterstreicht diese neue Kompetenz.
In entgegengesetzter Richtung an Format gewonnen haben die im bürgerlichen Lager angesiedelten Grünliberalen. Die Partei wurde anfangs von spröden Naturwissenschaftlern getragen. Der jetzt abtretende Zürcher Nationalrat Thomas Weibel etwa, ein grünliberaler Ingenieur der ersten Stunde, mag von Ökohydrologie viel verstehen – doch verströmt er den Charme eines Stromgenerators. Auch Fraktionschefin Tiana Angelina Moser musste in ihre Rolle als Strahlefrau erst hineinwachsen. Nach zwölf Jahren in Bundesbern weiss die 39-jährige Umweltwissenschaftlerin heute aber definitiv, wie Politmarketing funktioniert. Keine Frage: Im Wahljahr 2019 haben die Grünliberalen das Image einer smarten Siegerpartei.
Unter dem Strich heisst dies: Erweisen sich die Zürcher Wahlen als Drehbuch für den nationalen Urnengang im Oktober und ziehen Grüne und Grünliberale künftig verstärkt an einem Strang – dann muss sich die Konkurrenz warm anziehen. Dann bekommt die grüne Bewegung in der Schweiz ihre historische Chance: die Schlagkraft, um einen der Ihren in den Bundesrat zu bringen.
Wachsen die grünen Bäume nun also in den Himmel? Ist das Klima gerettet?
Diese Woche gab die Internationale Energieagentur in Paris bekannt: Der weltweite Energieverbrauch ist 2018 um 2,3 Prozent gestiegen.
Der weltweite CO2-Ausstoss hat im Jahr 2018 einen neuen Rekordwert erreicht.