Liebe Leserin, lieber Leser
Im Oktober 2015, als SVP und FDP die Wahlen gewannen, war auf allen Kanälen vom «Rechtsruck» die Rede, von einer «bürgerlichen Wende». Kurz darauf zog Guy Parmelin in den Bundesrat ein – alles schien für bürgerliche Lösungen vorgespurt. Ganz so, wie es die Wählerinnen und Wähler gewollt hatten.
In diesen Tagen wertete der Politologe Michael Hermann im Auftrag von SonntagsBlick sämtliche Abstimmungen des neuen Parlaments aus – und verglich die Voten mit jenen aus früheren Legislaturen.
Hermanns überraschendes Fazit: Von einer bürgerlichen Wende kann keine Rede sein. Verantwortlich dafür ist ausgerechnet die SVP. Sich einbinden lassen für breite bürgerliche Lösungen? Fehlanzeige! Die Schweizerische Volkspartei stimmt wie eh und je gegen den Rest.
In den zentralen Fragen Europa und Migration könne man halt keine Kompromisse machen, sagt SVP-Chef Albert Rösti. In einem hat er recht: Ein Wischiwaschi-Kurs passt nicht zum Profil seiner Partei.
Aber ist das schon alles? Hermanns Analyse offenbart so deutlich wie nie das versteckte Kalkül der Blocher-Partei: Auf zentralen Themenfeldern muss die SVP – so gut es geht – einen grossen Bogen um Kompromisse machen und sie vorsorglich als faul brandmarken. Zwar könnten Kompromisse dem Land nützen. Doch für die Wähleranteile 2019 wären sie Gift. Die holt die SVP eher mit Lärm als mit Lösungen.
PS: Vor einer Woche übten wir heftige Kritik an einem Vorschlag der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr. Sie hatte auf Facebook die Idee lanciert, man solle den unter 40-Jährigen bei Abstimmungen zwei Stimmen geben, den über 65-Jährigen dagegen nur eine: die faktische Teilentmündigung der älteren Generation. Fehr liess ausrichten, sie wolle dazu Stellung nehmen. Der Termin für ein Interview finde sich aber erst in den nächsten Wochen.
Wir werden da sein, Frau Fehr!
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Philippe Pfister