Editorial
«Das Gespräch liess mich ratlos zurück»

Publiziert: 16.08.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:31 Uhr
Von Christine Maier, Chefredaktorin

Liebe Leserin, lieber Leser

Ich bin sicher: Wenn Sie auf Blick.ch das Video über die «Sharia patrol» in London anschauen, wird Ihnen das Gipfeli im Hals stecken bleiben. Worum es geht? In London gibt es Quartiere, die fest in muslimischer Hand sind. Dort patrouillieren Islamisten, die ihre Sitten und ihre Ordnung durchsetzen. Frauen in Miniröcken werden angepöbelt. Jungs, die auf der Strasse ein Bierchen trinken, wird es untersagt.

Die Bürger dort haben Angst, sind schockiert. Ich bin es auch.

Also habe ich mich auf den Weg nach Bern-Bümpliz gemacht, um darüber mit Nicolas Blancho zu reden. Er ist Präsident des Islamischen Zentralrats Schweiz und bekennender Islamist. Islamisten sind Muslime, die sich streng an das Wort des Propheten und die göttliche Rechtsordnung halten, die Scharia.

Blancho ist eine umstrittene Figur in der Schweiz. Ihm werden Verbindungen zu terroristischen Organisationen in Nahost nachgesagt – nach­weisen konnte ihm das noch niemand. Ihm wird unterstellt, er wolle aus der Schweiz einen islamistischen Staat machen. In unserem Gespräch stellt er das in Abrede.

Zum ersten Mal aber sagt er öffentlich, dass seine Kinder dereinst frei entscheiden dürfen, welcher Religionsgemeinschaft sie angehören wollen. Eigentlich undenkbar für einen radi­kalen Islamisten! Blanchos Organisation macht vielen Angst. Doch auch er hat Angst: Er wurde wiederholt bedroht, ins Gesicht geschlagen.

Ich habe den Bieler als höflichen Gesprächspartner kennengelernt – seine Haltung, seine Visionen und Forderungen werde ich niemals teilen. Das Gespräch liess mich ratlos zurück. Wie gefährlich ist der Islamische Zentralrat? Ich weiss es nicht. Ist Nicolas Blancho, wie seine Kritiker behaupten, ein Wolf im Schafspelz? Ich weiss es nicht. Was ich weiss: Wir tun gut daran, unsere westlichen Werte hochzuhalten. Und sie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verteidigen. Dann kann uns die Kontrolle nicht entgleiten. So wie es den Engländern passiert ist. Und dann muss auch niemand Angst haben.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Christine Maier

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