Das meint SonntagsBlick
Früher wäre Buttet in Bern niemandem aufgefallen

Publiziert: 03.12.2017 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:44 Uhr
Gieri Cavelty
Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Paul Seewer

Es ist jetzt vierzig, fünfzig, sechzig Jahre her, da war es das Normalste auf der Welt, wenn ein Nationalrat der Serviertochter ans Füdli fasste. Bundesbern zu Sessionszeiten: eine Festhütte für Strohwitwer jeder politischen Couleur.

Schon vormittags floss der Weisswein, abends traf man sich zur Berner Platte. Und der eine oder andere, nicht alle natürlich, zog anschliessend ein Haus weiter. In der Metzgergasse gleich beim Zytgloggeturm gab es eine Reihe sogenannter Etablissements. In einem dieser Lokale im Herzen der Berner Altstadt starb Ende der 50er-Jahre sogar ein Bundesrat. An Herzschwäche.

Jeder liess sich’s gut gehen, mancher liess sich ganz gehen.

Yannick Buttet hat zwar diesen Sommer erst seinen 40. Geburtstag gefeiert. Gleichwohl wirkt der Walliser Noch-CVP-Nationalrat wie ein Nachzügler jener Bundesberner Festbruderschaft.

Buttet brachte es diese Woche schweizweit zu trauriger Berühmtheit: Im Wallis bedrängte und stalkte er seine einstige Geliebte, nun läuft ein Strafverfahren gegen ihn. In Bern begrapschte er Nationalrätinnen. Derweil inszenierte er sich in der Öffentlichkeit als Katholisch-Konservativer, als Kämpfer für die traditionelle Familie.

Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen: Familienwerte predigen und selber einem ausschweifenden Lebenswandel frönen. Das ist aber eben nur der erste Blick. Bis vor sechzig, fünfzig, vierzig Jahren passte beides nicht einfach nur, es gehörte sogar zusammen. Das Familienbild des Yannick Buttet ist geprägt von einer gleichermassen abgrundtiefen wie uralten Frauenverachtung.

Es ist das Frauenbild des Patriarchats.

Heute wird über Sexismus zumindest ansatzweise diskutiert. Pech für den Nachzügler Yannick Buttet: Kein Täter kann hier­zulande noch darauf vertrauen, dass seine Übergriffe toleriert werden. An der CVP-Spitze gilt als ausgemacht, dass er in absehbarer Zeit als Nationalrat zurücktreten wird.

Ein neues Zeitalter ist deswegen allerdings längst nicht angebrochen. Das Patriarchat ist die wirkungsmächtigste Ideologie der Menschheitsgeschichte. In allen Gesellschaften auf allen Kontinenten ist es seit Jahrtausenden die Leitkultur. Eine politisch exponierte Person kommt mit ihren Übergriffen jetzt vielleicht nicht mehr ungeschoren davon. In subtilerer Form jedoch – und vor allem: abseits des Scheinwerferlichts – wird das patriarchale Denken noch lange fortbestehen.

Im vergangenen Jahr wurden in der Schweiz 7300 Männer wegen häuslicher Gewalt angezeigt. Sogenannte typische Frauenberufe sind schlechter bezahlt als Männerberufe ... Das klingt jetzt weder neu noch originell, die Lohndebatte steht seit einiger Zeit auf der politischen Agenda. Das alles ist aber nun einmal nichts im Vergleich zu 10 000 Jahren Patriarchat.

Die erwähnte Metzgergasse beim Berner Zytgloggeturm heisst heute übrigens Rathausgasse, das klingt vornehmer. In der Tat hat das letzte grös­sere Etablissement seine Pforten vor zwei Jahren dichtgemacht.

Seit kurzem freilich gibt es hier wieder Pläne für ein neues Bordell.

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