Das meint SonntagsBlick
Der Bundesrat und seine Henker

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien hortet Schweizer Handgranaten. Und wie reagiert der Bundesrat? Er will noch mehr Kriegsgerät in die Region schicken.
Publiziert: 01.09.2018 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2022 um 17:35 Uhr
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Im Mittelalter pflegte der Henker den Verurteilten zunächst um Verzeihung zu bitten. Erst dann legte er ihm das Seil um den Hals oder hackte ihm den Kopf ab.

Das Wirtschaftsdepartement von Johann Schneider-Ammann betont stets die hohen Standards bei Waffenexporten. So führt der Bund jedes Jahr bei einer Handvoll Kunden von Schweizer Waffenschmieden Stichproben durch – überprüft wird, ob die Ware nicht weiterverhökert worden ist. Nur die USA und Deutschland kennen ein ähnliches System der Nachkontrolle.

Wie SonntagsBlick-Reporter Fabian Eberhard in seiner Recherche aufzeigt, haben diese Standards allerdings nicht verhindert, dass Schweizer Handgranaten beim Islamischen Staat (IS) in Syrien gelandet sind.

Für den mittelalterlichen Todeskandidaten war es wahrscheinlich kaum ein Trost, wenn sich der Henker kurz vor der Hinrichtung bei ihm entschuldigte. Für ein IS-Opfer ist es garantiert kein Trost, wenn es von einer Granate zerfetzt wird, deren Herkunftsland sich seiner Standards beim Waffenhandel rühmt.

Die Schweizer IS-Granaten stammen aus einer Lieferung an die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Staat am Persischen Golf hatte sie gekauft und dem Königreich Jordanien überlassen. Von dort gelangten sie vermutlich über die Türkei nach Syrien.

Wie reagiert man in Bundesbern auf den Schweizer IS-Skandal? SonntagsBlick bat Bundesrat Schneider-Ammann am Mittwoch um einen Kommentar. Der Magistrat liess mitteilen, er werde sich nicht äussern. Einen Tag später warb Schneider-Ammann in einer Parlamentskommission für eine weitere Lockerung der Bestimmungen bei Rüstungsexporten.

Das muss man sich einmal vorstellen: Da tauchen Schweizer Handgranaten bei einer berüchtigten Terrormiliz auf – und der Rüstungsminister reagiert darauf, indem er noch mehr Kriegsgerät in die Region schicken möchte!

Die Vereinigten Arabischen Emirate gehören zu den Grosskunden der Schweizer Rüstungsbetriebe. Zwischen 2007 und 2017 haben hiesige Firmen dem Land Kriegswerkzeug im Wert von 460 Millionen Franken verkauft. Ein paar wenige Geschäfte untersagten die Behörden – immerhin sind die Emirate in den besonders blutigen Krieg im Jemen involviert.

Mit der geplanten neuen Verordnung zur Kriegsmaterialausfuhr dürften nun auch die bisher nicht zustande gekommenen Geschäfte möglich sein. In jedem Fall erlaubt werden sollen Waffenlieferungen an Bürgerkriegsländer – an Staaten also, deren Behörden gewaltsam gegen die eigene Bevölkerung vorgehen.

Der Bund begründet die geplante Änderung der Ausfuhrbestimmungen mit der ausländischen Konkurrenz – und damit, dass die Schweiz eine Produktionsstätte für Spitzentechnologie bleiben müsse. Das sind gleich zwei Nebelpetarden mit einem Wurf: Erstens gehen die Rüstungsverkäufe in absoluten Zahlen keineswegs zurück. Und zweitens besteht ein sehr grosser Teil der Schweizer Waffenexporte aus technisch wenig anspruchsvollen Gütern wie eben Handgranaten, Gewehren sowie tonnenweise Munition.

Diese sogenannten Kleinwaffen sind zwar primitiv – ihre Wirkung ist jedoch umso verheerender. Der verstorbene frühere Uno-Generalsekretär Kofi Annan hat einmal gesagt: «Der von Kleinwaffen geforderte Blutzoll stellt den aller anderen Waffensysteme in den Schatten. Wir sorgen uns oft um Massenvernichtungswaffen. Aber das grosse Töten geschieht durch Kleinwaffen.»

Der mittelalterliche Henker bat das Opfer um Verzeihung, weil er um sein eigenes Seelenheil fürchtete. Um solche Glaubensfragen kümmern sich heute die wenigsten. Der neuzeitliche Henker glaubt nur an den Profit. Und unser Bundesrat reicht ihm dazu auch noch die Hand.

Krieg in Syrien

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
KEYSTONE/AP/STR

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

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