Das meint SonntagsBlick
Abgefahren!

«Platoon» bedeutet auf Englisch «Konvoi», «Platooning» so viel wie «einen Konvoi zusammenstellen». Nicht von ungefähr erinnert das Wort aber auch an den Kriegsfilm «Platoon» von Oliver Stone: Die Fahrer normaler Autos könnten sich auf unseren Strassen künftig noch ein Stück kleiner, mithin bedrohter fühlen.
Publiziert: 25.11.2017 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:55 Uhr
Gieri Cavelty

Ja, da rollt etwas Grosses auf uns zu. Wer mit Vertretern des Transportgewerbes spricht, erfährt: Dem «Platooning» gehört die Zukunft. In wenigen Jahren sollen ganze Konvois von Geister- LKW durchs Land brettern – Kompositionen aus drei bis fünf Lastern, die dank digitaler Technik von einem einzigen Chauffeur gesteuert werden.

Klingt abgefahren?

In Graubünden war Autofahren bis in die 1920er-Jahre verboten. Und noch 1950 besassen weniger als fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung ein Motorfahrzeug. Weitere 30 Jahre später hatte dann jede zweite Familie ganz selbstverständlich ein eigenes Auto.

Abgefahren auch diese Entwicklung. Aber real.

Im gleichen Tempo wurde unser Land mit den Nationalstrassen von Grund auf neu gestaltet. In den Innenstädten übernahmen die Autos die Macht – wobei sie hier seit einiger Zeit wieder zurückgedrängt werden. Mobilität ist eben keine Einbahnstrasse. Wer kann sich heute vorstellen, dass der Platz vor dem Bundeshaus bis vor 15 Jahren als Parkfeld diente?

In Zürich hat der Wind nun ebenfalls gedreht: Erstmals seit Jahrzehnten besitzt die Mehrheit der Haushalte in der grössten Schweizer Stadt kein Auto.

Kolonnen mit Zombie-Trucks auf der einen, autolose Städter auf der anderen Seite. So gegensätzlich die Phänomene scheinen: Beide sind Ausdruck der gleichen Entwicklung – und werden in der aktuellen Ausgabe des SonntagsBlicks darum gemeinsam behandelt. Richtig, es geht um die Digitalisierung. «Platooning» ist unmittelbar ein Produkt smarter Technologien. Und die Städter können dank Apps und Sharing Economy bei Bedarf nach wie vor auf ein Auto zurückgreifen.

Das wirklich Brisante beim «Platooning» ist übrigens, dass die SBB in dem Geschäft mittun möchten. Die Schweizer Verkehrspolitik ist darauf ausgerichtet, den alpenquerenden Gütertransport von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Aber auch in alle übrigen Fahrtrichtungen muss die Domäne der SBB die Schiene bleiben. Für die Strasse gibt es genügend private Anbieter.

Dass sich die Bahnbetreiber jetzt derart für selbstfahrende Autos begeistern, ist überhaupt kurios. Technisch zumindest wären selbstfahrende Züge ungleich einfacher zu bewerkstelligen. Auf der Schiene muss man sich nicht mit unübersichtlichen Kreuzungen und frechen Velofahrern auseinandersetzen. Gleichwohl ist die Entwicklung selbstfahrender Maschinen auf der Strasse sehr viel weiter fortgeschritten. Bei der Bahn hat man diese Entwicklung lange Zeit schlichtweg verschlafen.

Am wenigsten innovativ zeigt sich derzeit freilich der Luftverkehr. In Dubai wurde kürzlich zwar das erste batteriebetrie­bene Lufttaxi der Welt getestet. Verkehrsexperten sehen die Zukunft der Fliegerei gleichwohl – im Zeppelin. Das Luftschiff der Zukunft fliegt mit Sonnenenergie und soll zumal beim Gütertransport eine wichtige Rolle spielen.

Abgefahren in der Tat.

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