«Man könnte viele Beispiele für unsinnige Ausgaben nennen, aber keines ist treffender als die Errichtung einer Friedhofsmauer. Die, die drinnen sind, können sowieso nicht hinaus, und die, die draussen sind, wollen nicht hinein.» (Mark Twain)
Bereits vor rund 120'000 Jahren begruben einige Homo sapiens Verstorbene in ihren Siedlungen. Die Ägypter errichteten den Pharaonen Pyramiden, die Römer ihren Adligen luxuriöse Grabmäler auf öffentlichen Plätzen. Weniger Berühmte verbannte man ausserhalb der Stadtmauern, Arme wurden eingeäschert.
Nachdem Kaiser Konstantin die christliche Religion anerkannt hatte, entstanden Kirchen mit angebauten Friedhöfen. Die Pest im 14. Jahrhundert führte dazu, dass man Verstorbene vermehrt ausserhalb der Städte begrub, und 500 Jahre später wurde es zur neuen Normalität, weil die Städte aus allen Nähten platzten.
Am Ende sind wir alle gleich
Es war schliesslich Napoleon, der 1804 in den von ihm besetzten Gebieten eine Bestattungs- und Friedhofsordnung verordnete. Am Stadtrand entstanden nun parkähnliche Friedhöfe, die nach dem immer gleichen Muster angelegt waren. Mit diesen Reihengräbern wollte Napoleon deutlich machen, dass der Tod alle Menschen gleich macht.
1970 bekannten sich in der Schweiz noch 96 Prozent der Bevölkerung zu einer der beiden Landeskirchen. Dreissig Jahre später sind es noch 56 Prozent und 31 Prozent Religionslose. Die restlichen Prozente teilen sich muslimische, jüdische, buddhistische und hinduistische Gläubige. Einige stören sich nun an den christlichen Symbolen auf Schweizer Friedhöfen.
Dass Trauernde sehr empfindlich sind, ist verständlich, haben sie doch einen geliebten Menschen verloren. Und viele unter ihnen begegnen an der Beerdigung auch noch all jenen Verwandten, denen man seit Jahren erfolgreich aus dem Weg gegangen ist.
Multimedia für die Nachwelt
Napoleon würde sich dennoch nicht im Grab umdrehen, wenn er miterleben müsste, wie die Fragmentierung der Gesellschaft weiter voranschreitet und jeder die Erfüllung seiner Partikularinteressen verlangt. Er ruht nämlich im Pariser Hôtel des Invalides.
Eine für die Steuerzahler günstige Lösung wäre eine Videowand, die Porträts der Verstorbenen oder Hintergründe mit religiösen Motiven abspielt. Eine Multimedia-Jukebox für die Hinterbliebenen.
Claude Cueni (66) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Zuletzt erschienen im Verlag Nagel & Kimche die Romane «Genesis» (2020) und «Hotel California» (2021).