Partei-Luftballone an der «CVP-Landsgemeinde» am Samstag in Sempach
Foto: Keystone

BLICK-Kolumnist Giuseppe Gracia über das bald fehlende C im Parteinamen
Es braucht keine CVP

Die CVP diskutiert, ob sie nicht die namentliche Ausrichtung aufs Christentum aufgeben und sich als allgemeine Mittepartei definieren will. Bischofssprecher Gracia findet: gute Idee!
Publiziert: 19.01.2020 um 23:45 Uhr
Giuseppe Gracia

Die Christlichdemokratische Volkspartei will das «C» aus ihrem Namen streichen und sich von ihren katholischen Wurzeln lösen. Das ist folgerichtig. Die CVP vertritt schon seit Jahren keine christlichen Positionen mehr, sei es hinsichtlich Abtreibung oder beim Thema Sterbehilfe. Für Christen ist die Auflösung der CVP unwesentlich. Es braucht keine CVP, damit sie sich politisch engagieren können. In der Schweiz sind alle anerkannten Parteien für Christen wählbar.

Ich zum Beispiel habe schon Anliegen der Grünen, der SP, der FDP, der SVP und der GLP unterstützt, je nach Thema. Wie alle Bürger können auch Christen im eigenen Namen, in eigener Verantwortung handeln und entscheiden, welche Personen oder Initiativen sie unterstützen. Und was die katholische Kirche betrifft: Wo es nicht um Grundsätzliches wie die Menschenrechte geht, sollen Priester und Bischöfe sich nicht ins Tagesgeschäft der Politik einmischen. Sie sollen ihr Amt nicht zur politischen Bevormundung ihrer Schäfchen missbrauchen, wie schon das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) festlegt.

Vor diesem Hintergrund sagt Papst Franziskus: «Weder der Papst noch die Kirche besitzen das Monopol für die Interpretation der sozialen Wirklichkeit oder für einen Vorschlag zur Lösung gegenwärtiger Probleme.» In vielen Fragen kann man als Christ guten Gewissens dieser oder jener Meinung sein. Eine moralische Gängelung seitens der Kirche ist klar abzulehnen. Ablehnen muss man aber auch die Inanspruchnahme des Christlichen oder «christlicher Werte» seitens einer Partei. Wie die Kirchenoberen, so sollen auch Parteien nicht mit dem Jesus-Stempel politisieren und damit jene als unchristlich hinstellen, die eine andere Politik wählen.

Das bedeutet einen Vorrang des Individuums vor der Institution. Wir setzen auf die politische Mündigkeit des Einzelnen. Das ist für Christen – wie auch für Angehörige anderer Religionen – ein guter Weg, um sich in einer pluralistischen Demokratie friedlich und konstruktiv einzubringen. Christen, Muslime, Juden, Buddhisten, aber auch Atheisten: Sie brauchen keine eigene politische Partei. Sie ergreifen selber Partei, als Einzelne oder gemeinsam, um Verantwortung zu übernehmen – mit allen demokratisch zulässigen Mitteln.

Giuseppe Gracia (52) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

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