BLICK auf die USA: US-Reporter Nicola Imfeld über den tiefen Fall von Stormy-Daniels-Anwalt Michael Avenatti
Statt Trump-Rivale bald Häftling?

Jede Woche schreibt BLICK-US-Reporter Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um Aufstieg und Fall von Stormy-Daniels-Anwalt Michael Avenatti.
Publiziert: 11.05.2019 um 16:41 Uhr
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Nicola Imfeld, US-Reporter für BLICK.
Nicola Imfeld, San Diego (USA)

Der Fall von Michael Avenatti (48) ist beispiellos. Als Anwalt von Pornodarstellerin Stormy Daniels kämpfte er in der Schweigegeld-Affäre gegen Donald Trump. Avenatti füllte Zeitungsblätter auf der ganzen Welt, war Zielscheibe der morgendlichen Twitter-Tiraden des Präsidenten. Quasi über Nacht wurde er zum bekanntesten Anwalt der USA. 

In scheinbar allen medienwirksamen Fällen im Jahr 2018 hatte der passionierte Rennfahrer seine Hände im Spiel. Als im Herbst Trumps Richterkandidat für den Supreme Court, Brett Kavanaugh, von einer Frau der Vergewaltigung beschuldigt wurde, tauchte Avenatti mit einem weiteren angeblichen Opfer auf. Auch im Fall gegen Rapper R. Kelly, der mehrfach Kinder missbraucht haben soll, vertritt er zwei der mutmasslichen Opfer. 

Seine Berühmtheit wollte Avenatti als Sprungbrett für eine politische Karriere nutzen. Im Spätsommer und Herbst 2018 trat er an demokratischen Wahlveranstaltungen auf, liebäugelte öffentlich mit einer Kandidatur fürs Weisse Haus. 

Heute, nur wenige Monate später, ist alles anders: Washington und Trump sind weit weg. Michael Avenatti kämpft einzig und allein darum, nicht den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen. Ihm droht eine Haftstrafe von 333 Jahren! 

Mein Treffen mit Avenatti

Ich habe Michael Avenatti im vergangenen Dezember zu einem Interview getroffen – kurz nachdem er im November verhaftet worden war. Der Vorwurf: häusliche Gewalt. Das mutmassliche Opfer: seine Ex-Freundin. Was mir damals nicht bewusst war: Es war sein Anfang vom Ende.

Kurz vor unserem Interview-Termin wurde der mediale Druck so gross, dass sich Avenatti als Präsidentschaftskandidat aus dem Spiel nehmen musste. Er erklärte mir diesen Schritt in der Lobby eines Wolkenkratzers in Beverly Hills mit Verweis auf seine Familie. Er könne seine Liebsten nicht dem aktuell «giftig und ekelhaften» politischen Klima aussetzen, so seine Begründung.

Avenatti gab sich während unseres Gesprächs locker und lässig. Als wir über Donald Trump sprachen, wurde er angriffslustig. Er verriet mir, dass er noch mehr schmutzige Geheimnisse von Trump und seinem ehemaligen Anwalt Michael Cohen kenne und versprach grossmundig: «Da kommt noch was!» 

Bestechung, Betrug, Steuerhinterziehung

Doch ob jemals noch irgendetwas zu Trump von Avenatti kommt, wenn er denn tatsächlich mehr weiss, muss bezweifelt werden. Gab er sich damals noch als stolzer Kämpfer, der den bösen Mächtigen das Fürchten lehrt, ist er inzwischen selbst Bösewicht. 

Avenatti werden zahlreiche Verbrechen zur Last gelegt. Unter anderem Bestechung, Betrug und Steuerhinterziehung. In diesen Anklagen, die unabhängig voneinander in verschiedenen US-Bundesstaaten eingereicht worden sind, wird das Bild eines gierigen und skrupellosen Menschen gezeichnet. 

Was aber wohl das Schlimmste und Verwerflichste zugleich ist: Avenatti soll seine eigenen Mandanten hintergangen haben! Einer der unzähligen Vorwürfe: Der Star-Anwalt soll vier Millionen eines Klienten im Rollstuhl veruntreut haben – und dann beim Verwischen der Spuren auch noch dafür gesorgt haben, dass der Mann keine Behindertenrente mehr bekam. 

Avenatti zeigt keine Reue, streitet öffentlich alles ab. Er stellt sich als Opfer einer politischen Kampagne dar. Der «New York Times» sagte er kürzlich: «Die Regierung hat mich im Fadenkreuz, und dafür gibt es Gründe.» Konkreter wird er – wieder einmal – nicht. So bleibt es eine Verschwörungstheorie, die ihm niemand abkauft.

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