Covid-19 ist ein faszinierendes Phänomen. Ein mikroskopisch kleines Virus hat es geschafft, den ganzen Planeten lahmzulegen und uns komplett auf uns selbst zurückzuwerfen. Nun können wir den Konflikten, die wir mit anderen und uns selbst hatten, nicht länger ausweichen. Die Ablenkungsmöglichkeiten – arbeiten gehen, ausgehen, fremdgehen – sind kollabiert. Das ist gleichzeitig ein Fluch, weil es schmerzhaft ist, und ein Segen, weil es uns erlaubt, endlich hinzusehen und die Dinge zu ändern, die wir schon längst hätten ändern sollen. Namentlich unseren schändlichen Umgang mit der Natur, aber auch mit der Medizin. Wenn wir jetzt klug sind, werden wir Covid-19 später sehr dankbar sein.
In Ihrem Fall hat das Virus offengelegt, dass Sie und Ihr Mann an erheblicher Kommunikationsschwäche leiden. Obwohl Sie sich in derselben Wohnung aufhalten, schreiben Sie ihm lieber eine Nachricht, als mit ihm zu reden, und unternehmen, nachdem die Antwort ausbleibt, nichts weiter, um das Schweigen zu brechen, das Ihr Zusammenleben gewiss schon vor der Pandemie geprägt hat. Allerdings haben Paare, die nicht miteinander reden, einander nur in den seltensten Fällen nichts zu sagen – üblicherweise hätten sie im Gegenteil sehr viel zu diskutieren, wissen aber nicht, wie damit anfangen, und warten darauf, dass der andere es endlich tut. Vielleicht hilft es Ihnen, erst mal für sich herauszufinden, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Schreiben Sie Ihrem Mann also einen Brief mit all den Dingen, die Sie ihm schon lange sagen wollen. Und dann setzen Sie sich vor ihn hin und lesen ihm diesen Brief vor. Das wird enormen Mut kosten, aber ein Vielfaches an Heilung bringen. Bedenken Sie: Die Pandemie wird irgendwann überwunden sein. Auch ohne Ihr Zutun. Ihre seelische Not aber mit Sicherheit nicht.