Wer bin ich? Viele Menschen treibt anscheinend die Frage um, woher sie stammen und wie viel Neandertalerblut ihre Adern durchfliesst – Schweizer bestellen zu Tausenden online Gen-Tests. Was ist einer der Bestseller auf Amazon? Der Speichel-DNA-Test der Silicon-Valley-Firma 23andMe.
Welches Gesundheits-Start-up hat im letzten Quartal eine der grössten Finanzspritzen erhalten? 23andMe. Und zwar vom britischen Pharmagiganten GlaxoSmithKline, und nicht von Novartis. Das dürfte die Basler schmerzen, sie arbeiten ebenfalls auf Hochtouren an Gen-Therapien. Gen-Daten sind überlebenswichtig für Geschäfte mit der Gesundheit. Gesundheit wird längst als Datensatz gesehen. Investoren haben 2017 sechsmal so viel Geld in Gen-Analyse-Firmen gesteckt wie noch vor fünf Jahren. Auch Krankenversicherer doktern da rum.
Genetische Astrologie
Dick im Geschäft sind amerikanische und israelische Firmen, aber auch in der Schweiz entschlüsseln über ein Dutzend Labors unsere Gene. Und auch China ist süchtig nach DNA-Technologie. Die meisten Gen-Entschlüssler betreiben Ahnenforschung. Diese aber ist umstritten. Experten sehen darin eher eine Art genetische Astrologie. Andere Start-ups bieten Gen-Diäten an, denn das Abnehmen sei eben Typsache. Wissenschaftlich ist auch dies nicht belegt.
23andMe geht hingegen weiter. Es hat nämlich die Zulassung der amerikanischen Arzneimittelbehörde. Als erste Firma überhaupt darf sie dem besorgten Konsumenten direkt Gen-Tests für genetische Gesundheitsrisiken vermarkten. Und zwar für zehn Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer und Allergien. Doch die meisten Leiden entstehen nicht wegen Irrgängen einzelner Gene. Alles spielt da zusammen. Die Umwelt entscheidet mit. Ob ein Mensch tatsächlich an Alzheimer erkranken werde, sei mit Tests schwer vorherzusehen. Da könne man genauso gut eine Münze werfen, meinen Ärzte. Trotzdem: Die Leute bestellen Do-it-yourself-Gen-Tests.
Und wer ist die Gründerin?
Kritiker werfen Biotech-Labors wie 23andMe vor, es gehe ihnen nur darum, möglichst viele Daten zu sammeln und sie dann kommerziell auszuschlachten wie Google. Die Firmen beteuern das Gegenteil. Die Ahnenforschung beim Start-up selber lässt anderes vermuten. Wer ist eigentlich 23andMe-Gründerin Anne Wojcicki? Die Biotech-Analystin war mit Google-Gründer Sergey Brin verheiratet. Sie haben zwei gemeinsame Kinder. Ihre Schwester ist CEO der Google-Tochter Youtube. Und finanziert ist 23andMe von Google.
Unbezahlbare Informationen
Google weiss alles? Noch nicht. Doch der Gigant könnte uns bald noch besser kennen, als wir uns dies je hätten vorstellen können. Unsere Suchanfragen liefern heute schon die besten Daten für Psychoanalysen. Kombiniert mit Gesundheitsdaten, mit unserem Gen-Profil, wären diese Daten noch wertvoller. Vielleicht gar unbezahlbar. Google nähert sich uns deswegen auch genetisch an. Wer bin ich? Eine Frage, deren Antwort künftig viel Geld einbringen wird.
Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.