#aufbruch mit Patrizia Laeri
Tödliche Unterschiede

Frauen und Männer erkranken anders. Corona trifft Männer härter. Sie sterben häufiger daran. Long Covid hingegen, sprich Spätfolgen einer Corona-Erkrankung, treffen zu 75 Prozent Frauen.
Publiziert: 31.03.2021 um 06:37 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2021 um 06:54 Uhr
Patrizia Laeri, Kolumnistin.
Foto: Thomas Buchwalder
Patrizia Laeri

Auch Impfungen vertragen Frauen weniger gut. Die Impfnebenwirkungen – mehrheitlich sehr milde – betreffen bis zu 87 Prozent Frauen. Die Welt rätselt.

Nicht so die Gendermedizinerinnen. Endlich rückt ihre jahrelange Forschung ins Rampenlicht der Medizin – gerade auch in der Schweiz. Zum Beispiel die Arbeit der mehrfach ausgezeichneten Kardiologin und Professorin an der Universität Zürich, Cathérine Gebhard, die daran forscht, wie Geschlechtshormone die Erkrankung beeinflussen.

Doch an Frauen werden Medikamente kaum getestet. An weiblichen Tieren schon gar nicht. Wirkstoffe werden zu 90 Prozent an männlichen Mäusen ausprobiert. Das Studienobjekt Frau galt als zu komplex, aufwendig und teuer – wegen des Hormonhaushalts. Die Folgen sind fatal: falsche Dosen und Nebenwirkungen. Die Europäische Gesellschaft für Medizinische Onkologie hat beispielsweise aufgezeigt, dass Frauen rund ein Fünftel zu hoch dosierte Krebsmedikamente verabreicht werden. Sie erhalten auch viel häufiger Fehldiagnosen.

Die Pandemie hat ein uraltes Problem der Medizin öffentlich gemacht. In der Medizin ist der Mann die Norm. Der Mann die Testperson. Die Frau war jahrtausendelang eine vernachlässigbare Variation des menschlichen Standards, des jungen 70 Kilo schweren Mannes. Seit der Pandemie sind Forderungen nach geschlechtsspezifischen Daten und Studien lauter geworden.

Erst seit ein paar Jahren fallen einzelne Tech-Start-ups auf, die Gesundheit und Wohlbefinden von Frauen verbessern. Sogenannte Femtechs beschäftigen sich mit der Periode, Schwangerschaft, Fruchtbarkeit, Wechseljahren. Und brechen damit glücklicherweise viele Tabus. Eigentlich ein riesiger Markt, dem Experten schwindelerregende Wachstumschancen zusprechen.

Doch nur gerade 4 Prozent der gesamten Gesundheitsforschungsbudgets fliessen in Frauengesundheit. Und Grosskapitalgebern ist dieses Feld der Gesundheitsbranche nur gerade 1,4 Prozent wert. Im Pandemiejahr haben Investoren gar noch weniger Geld in Gesundheitsgründerinnen gesteckt.

Es ginge auch anders. Diesen Monat hat die EPFL ein Förderprogramm lanciert, das sich um innovative Frauengesundheits-Start-ups kümmert, den Tech4Eva Accelerator. Die Start-up-Plattform unterstützt auch der Krankenversicherer Groupe Mutuel. Er hat den wirtschaftlichen Nutzen erkannt: Wenn Frauen gesünder sind, reduzieren sich auch Krankenkassenkosten.

Und auch wenn im Grundstudium «geschlechtsspezifische Medizin» vernachlässigt wird, ist soeben an den Universitäten Zürich und Bern immerhin der schweizweit erste Weiterbildungsstudiengang dazu gestartet. Die parlamentarische Frauengruppe des Nationalrats fokussiert für 2021 auf Gendermedizin. Bitte mehr davon – das Pharmaland Schweiz wäre bestens positioniert als Pionierin in Gendermedizin. #aufbruch

Patrizia Laeri (43) ist TopVoice LinkedIn DACH und Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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