Zuerst knüpfte sich Natasha Lamb das Silicon Valley vor, dann die Banken. 23 Börsen-Giganten forderte sie bisher auf, ihre Lohndaten zu durchleuchten, nach Unterschieden zu suchen und diese offenzulegen. Sie bekämpft einen Systemfehler, der messbar und deshalb einfach zu beseitigen wäre: den Gender Pay Gap. Frauen verdienen für die gleiche Arbeit weniger als Männer. Ein globales Problem.
Doch Ignoranz und Widerstand waren gross. Besonders Facebook hat sie jahrelang ignoriert. Die Daten-Supermacht weigerte sich, ebendiese Lohndaten offenzulegen. Mittlerweile zeigt man sich reuig. Aber die Supermarktkette Walmart stellt sich immer noch quer. Ausgerechnet ein Konzern, der schon Klagen zahlreicher Mitarbeiterinnen am Hals hat. Wegen Diskriminierung.
Lamb belässt es aber nicht nur bei Anträgen, ihre Firma erstellt auch ein Rating zu Lohnunterschieden. Konzerne wie Goldman Sachs und McDonald's schneiden da jämmerlich ab. Damit stellen sie auch ein grosses Risiko für Investoren dar. Lohnklagen und Diskriminierungsfälle könnten drohen, der Imageschaden sowieso. Unfair sein zieht auch bei talentierten Bewerbern nicht.
Immerhin haben einige Firmen es auch geschafft, die Lohnlücke zu schliessen, wie Apple und Nike. Nike hat bei zehn Prozent seiner Mitarbeiter den Lohn angepasst und das Bonus-System verändert. Auch erst nachdem Klagen wegen der toxischen «Boys' Club»-Kultur eingereicht wurden. Dass die Löhne in vielen Konzernen dieses Jahr steigen, haben Frauen und Minderheiten auch Natasha Lamb zu verdanken.
Ihr Engagement passt zum grossen Trend: Investoren machen Druck. Investoren sind politisch geworden. Sie wollen verantwortungsvollen, nachhaltigen Kapitalismus. Sogar der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock hat letztes Jahr einen Brief an fast 300 Konzerne geschrieben, um ihnen zu erklären, dass Vielfalt gut fürs Geschäft sei. Sie hatten alle weniger als zwei Frauen im Verwaltungsrat. Jeder Aktionär kann Anträge einreichen.
Neu mucken auch Mitarbeiter auf. Gerade in Tech-Firmen halten viele Angestellte Aktien. 5200 Mitarbeiter fordern Amazon auf, offenzulegen, wie der Konzern von fossilen Brennstoffen wegkommen und Klimarisiken vermeiden will. Aufständische Mitarbeiteraktionäre – die Aktion könnte Schule machen.
Und in der Schweiz? Wie kann es sein, dass eine einzige Frau wie Natasha Lamb in den USA mehr erreicht hat als in der Schweiz alle Pensionskassen zusammen? Die unkritischen Kassen halten unser Geld und damit einen Löwenanteil an Stimmen. Unsere Milliarden hätten die Macht, die Welt zu verändern. Die Schweizer Löwen aber schweigen wie Lämmer.
* Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.