«Alles wird gut» mit Ursula von Arx
Ach, die Armen

Rechtspolitiker halten Kürzungen der Sozialhilfe für ein taugliches Mittel, um Leute aus der Armut zu bringen. Geschehen werde eher das Gegenteil, schreibt BLICK-Kolumnistin Ursula von Arx.
Publiziert: 13.01.2019 um 20:49 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2019 um 11:38 Uhr
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Die Miete? Geschenkt. Die Krankenkasse? Auch geschenkt. Und für alles Übrige? 986 Franken im Monat. So lebt eine alleinstehende Person, die Sozialhilfe bezieht.

Nun könnte man den Damen und Herren, die Kürzungen bei der Sozialhilfe fordern, vorwerfen, dass sie deren Auswirkungen wohl nie am eigenen Leib erfahren werden. Sie mögen Adrian Schoop (FDP) heissen, Thomas Müller (SVP) oder Martina Bircher (SVP): Alle wirken sie erfolgsgewohnt und gesellschaftlich potent und also keineswegs gezwungen, die Vorstellung zu strapazieren, wie es wäre, mit 20 Franken am Tag eine vierköpfige Familie zu ernähren.

Man könnte den Freunden der Verknappung auch Realitätsferne vorwerfen. Sie berufen sich gern auf eine Seco-Studie, die Sozialhilfekürzungen empfiehlt, um «die Arbeitsanreize zu verstärken». Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass arbeiten kann, wer arbeiten soll. Aber für ältere Arbeitslose, Geringqualifizierte oder Suchtgeschädigte sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt oft düster. Und die von den Kürzungen am häufigsten Betroffenen dürfen gar nicht arbeiten: Es sind die Kinder.

Man könnte den Anhängern des Spardrucks sogar Inkonsequenz vorwerfen. Vielleicht sucht eher Arbeit, wer in eine erhöhte Bedürftigkeit gedrückt wird. Aber in diesem Zustand Arbeit zu finden, ist erhöht schwierig, denn sichtbare Armut wirkt nicht attraktiv. Die meisten Menschen fühlen sich durch schäbige Kleider und schlechte Zähne eher behelligt als angesprochen, das dürfte auch für potenzielle Arbeitgeber gelten.

Natürlich gibt es die Sozialhilfebezüger, die einen Job nach zwei Tagen wieder an den Nagel hängen, weil ihnen «die Arbeit nicht so gefallen» habe. Man kann diesen schon heute die Gelder kürzen.

Wahr ist, dass unser Misstrauen eher stimuliert wird einem Armen als einem Reichen gegenüber. Wir finden leichter Entschuldigungen für die Betrügereien von Mächtigen als für die von Habenichtsen. Es gibt Leute, die das Glück hatten, reich geboren zu sein; und solche, die eher arbeiten wollen als müssen. Da sollte es möglich sein, nicht arbeiten zu müssen, wenn man nicht arbeiten kann.

Hören wir auf, von Sozialhilfeempfängern zu reden, als wären sie Vampire, die uns aussaugen, wenn man ohne Kruzifix auf sie trifft. Und alles wird gut.

Ursula von Arx findet den Satz «dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen» ziemlich weise. Man findet ihn in der Präambel unserer Bundesverfassung. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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