Eine meiner liebsten Liedzeilen lautet: «I never buy umbrellas, for there's always one around.» Ich kaufe nie Regenschirme, denn einer steht immer rum. So gedenke ich mein Leben zu führen. Oder nehme es mir vor.
Bei der Geburt meiner Kinder habe ich trotzdem eine Zusatzversicherung für die Zahnspange abgeschlossen. Da kann man noch lange Musik von amerikanischen Lebemännern hören, den inneren Schweizer überwindet man nie ganz.
Mystisches Einhorn der Meere
Eines meiner liebsten Tiere ist der Narwal. Er wird das Einhorn der Meere genannt – wegen seines Stosszahns, der über 2,5 Meter lang wird und gegen den Uhrzeigersinn gewunden ist. Erstaunlicherweise handelt es sich beim «Horn» um einen Eckzahn. Der Narwal ist definitiv ein Fall für den Kieferorthopäden. Und für die Forschung, denn längst kennen wir nicht alle Geheimnisse des mystischen Wesens, das die arktischen Meere bewohnt.
Wozu etwa der Stosszahn dient, ist nicht ganz klar. Ein WWF-Team hat kürzlich beobachtet, wie die Meeressäuger den schraubenförmigen Zahn dazu benutzen, mit ruckartigen Bewegungen ihre Beutefische zu betäuben. Lange war der Stosszahn – Ainkhürn genannt – Anlass für eine Menge Mutmassungen.
Zehnmal wertvoller als Gold
Im Mittelalter hielt man ihn für das Horn des Einhorns. Die Hörner gelangten wohl über verschlungene Handelsrouten nach Mitteleuropa – und befeuerten hier den Glauben an die Existenz von Einhörnern. Durch seine Seltenheit war Ainkhürn von enormem Wert, zeitweilig das Zehnfache von Gold. Könige und Kaiser liessen sich Insignien erschaffen. Der Thron der dänischen Könige ist ausschliesslich aus Ainkhürn gefertigt.
Infos aus dem Wasser
Kaum weniger abenteuerlich sind die Theorien von Forschern. Der Stosszahn diene zum Durchbrechen der Eisdecke, war eine Annahme, oder zur Echo-Ortung oder zum Durchwühlen des Meeresbodens. Inzwischen geht man davon aus, dass er als Sinnesorgan dient. Er enthält eine Menge Nervenzellen, mit denen die sensiblen Meeressäuger wohl etliche Informationen aus dem Wasser lesen können. Temperatur und Wasserdruck etwa.
Zudem scheint er einen Einfluss auf die Hierarchie unter den Tieren auszuüben. Ein richtiger Blöfferzahn also. Die Grills der Tierwelt – so heissen die vergoldeten Bling-Bling-Zahnspangen, die sich Rapper in den Mund pflanzen lassen (in der Zahn-Zusatzversicherung nicht inbegriffen).
Simon Jäggi (39) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner.