Aktuelle Zahlen aus einer Sozialhilfeuntersuchung in 14 Schweizer Städten zeigen, dass die Sozialhilfequoten bei den jüngeren Erwerbstätigen zwar sinken, die Quoten bei den über 45-Jährigen jedoch stark ansteigen. Wer älter als 50 Jahre ist, wird häufiger ausgesteuert und hat es schwer, Arbeit zu finden. Wer schon auf die 60 zugeht, hat grosse Chancen, ein Sozialfall zu werden.
Obwohl ältere Stellensuchende im Schnitt besser ausgebildet sind als jüngere, werden sie weit weniger berücksichtigt. Das ist ein Trend, der sich noch verstärken dürfte. «Manche Firmen stellen prinzipiell keine über 50-Jährigen an», sagt Felix Wolffers, ehemaliger Co-Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe.
Allein an den Kosten kanns nicht liegen
Anscheinend findet auf dem Arbeitsmarkt eine Diskriminierung der über 50-Jährigen statt, wie auch viele Betroffene sagen. Wie kommt es dazu? Zählen die bessere Ausbildung, die langjährige Berufserfahrung und die eigentliche Lebensreife bei der Besetzung einer Stelle heute nur noch wenig? Geht es darum, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlicht mehr kosten als jüngere? Und sind ältere Menschen auch deshalb im Nachteil, weil sie etwa aufgrund eines aktiven Familienlebens weniger flexibel sind oder weil sie als reifere Persönlichkeiten weniger geformt und beeinflusst werden können von einer Unternehmenskultur, die von oben gesteuert wird?
Und jetzt höheres Rentenalter?
Wenn aber Unternehmen lieber flexible und günstige Junge zwischen 20 und 40 anstellen: Wie verträgt sich das mit der Diskussion um eine Erhöhung des Rentenalters? Aufgrund der schwierigen Situation der Altersvorsorge in der Schweiz ist der Ruf nach einem höheren Rentenalter durchaus verständlich. Zugleich aber bevorzugt der Arbeitsmarkt offenbar jüngeres Humankapital.
Was kann man gegen diesen Interessengegensatz tun? Ein erster, kleiner Schritt könnte darin bestehen, dass sich die heutigen Unternehmer an die Worte des einstigen Grossunternehmers Henry Ford (1863–1947) erinnern: «Nimm die Erfahrung und die Urteilskraft der Menschen über 50 aus der Welt, und es wird nicht genug übrig bleiben, um ihren Bestand zu sichern.»
Giuseppe Gracia (52) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.