Kolumne von Stefan Meierhans
Wo ist die Vision für den ÖV?

«Wer keine Vision hat, vermag weder grosse Hoffnung zu erfüllen, noch grosse Vorhaben zu verwirklichen.» Dieses Zitat des einstigen amerikanischen Präsidenten Wilson kommt mir in den Sinn, wenn ich heute an das Preisgefüge beim Verkehr denke.
Publiziert: 26.12.2022 um 14:06 Uhr
Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Dem ÖV ist in unserem Land eine wichtige Rolle zugedacht: Er soll einen wesentlichen Beitrag für die geforderte Reduktion der Treibhausgase leisten und damit wichtiges Standbein der Klimapolitik werden. Wie das aber nun genau gehen soll, das hat nach meinem Verständnis noch niemand ausgedeutscht. Aber genau das wäre in meinen Augen jetzt auch im Hinblick auf das Preisgefüge wichtig. Warum?

Die ÖV-Branche hat in den letzten Monaten wichtige Vorarbeiten geleistet, um die Weichen für die beiden Systeme (Zonenpreis = Franken für Zeit und Streckenpreis = Franken pro Kilometer) in Richtung Zukunft zu stellen. So ist ein einheitliches Tarifsystem geplant. Bravo!

Geplant ist auch ein Preissystem, das digital abrechnet, was man gefahren ist, und zwar im Nachhinein. Die Kombination dieser beiden Elemente kann uns eine ganze Welt neuer Produkte mit fairen Preisen und Rabatten eröffnen. Überdies können Kosten gespart werden, was sich wiederum positiv auf die Preise auswirken muss. Hier liegen grosse Chancen, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen.

Doch leider kommt hier ein grosses «Aber»: Wie wir alle, muss auch die ÖV-Branche mit den Umständen, die nun mal gerade herrschen, klarkommen. Der Strom ist knapp und die SBB müssen, obwohl sie viel selbst produzieren, auch zukaufen. Der Strom ist also teurer, und in der Folge steigen die Trassenpreise. Wer wird die Mehrkosten tragen? Der erste Reflex ist, zumindest verzögert, eine Überwälzung auf die Kundinnen und Kunden. Dem trete ich entschieden entgegen, und zwar mit guten Argumenten: Wenn die Trassenpreise erhöht werden, dann soll die Erhöhung von denjenigen getragen werden, die von der Trassenpreissenkung des Jahres 2021 profitiert haben. Das waren nicht die Kundinnen und Kunden, sondern die Besteller, sprich die Kantone. Oder anders gesagt: Fairplay bitte in beide Richtungen!

Aber das ist im Moment nicht der Punkt, auf den ich hinaus will. Dieses Beispiel zeigt ein grosses Problem: Auf der einen Seite will man also den ÖV modernisieren und fit machen, um einen grossen Anteil am Gesamtverkehr zu tragen. Doch dann vergrault man die Kundinnen und Kunden, indem man Preiserhöhungen ankündigt. Man reisst also hinten ein, was man vorn aufbaut. Insgesamt ist es mehr ein Massnahmen-Management statt eines orchestrierten Auftritts.

Meines Erachtens sollte es für den ÖV eine Vision geben, die in verbindliche Ziele, wie etwa «Man zahlt nur den Platz, auf dem man sitzt» heruntergebrochen werden können. Dann wäre ganz klar, was dem Ziel dient, geht, was dem Ziel nicht dient, dafür muss man Lösungen finden. Kein Hü und Hott, sondern dem Licht entgegen. Hier ist meines Erachtens für einmal nicht die Branche gefragt, sondern das ist Aufgabe der Politik: Übernehmen Sie!


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