Die Teuerung ist überall ein Thema. In den meisten Fällen ist es jedoch so: Übertreibt es ein Verkäufer mit teuerungsbedingten Preiserhöhungen, geht man zum Nächsten, der die Sache moderater angeht. Auf diese Weise tarieren sich die Preise ganz automatisch aus.
Anders ist es, wenn die Preise nicht durch den Wettbewerb gebildet, sondern von einem marktmächtigen Unternehmen oder dem Staat festgelegt werden. Natürlich können auch diese Preise von der Teuerung betroffen sein – aber ist eine generelle allgemeine Teuerung zwangsläufig ein Persilschein für Preiserhöhungen bei staatsnahen Unternehmen? Neue Studienergebnisse aus dem Ausland liefern Hinweise, dass Industrien ohne grossen Wettbewerbsdruck inflationstreibend wirken könnten. Es wurde nämlich festgestellt, in Situationen, in denen es nur wenige Anbieter gibt, werden im Vergleich zu «normalen» Wettbewerbssituationen verstärkt «Kostenschocks» weitergeben. Kostenschocks sind plötzliche Ereignisse wie Lieferengpässe, Energiepreissprüngen oder einer angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt, die die Kostensituation erheblich beeinflussen und den Kundinnen und Kunden weiterverrechnet werden. Im Extremfall, also bei «Marktmacht», dürfte sich dieses ungünstige Phänomen erst recht zeigen. Dass es zu Begehrlichkeiten bei Unternehmen dieser Art kommt, war demnach schon fast zu erwarten. Ob diesen stattgegeben werden soll, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
Werden wir etwas konkreter: Wie soll man mit Forderungen nach Preiserhöhungen gestützt auf die allgemeine Teuerung umgehen, wenn es ungenutzte Effizienzsteigerungspotenziale gibt? Soll man darauf bestehen, dass sie genutzt werden oder soll man ein Mäntelchen darüber decken und die Teuerung ausgleichen?
Da bin glasklar für Ersteres: Im Gesundheitswesen, genauer im Bereich der Spital- und Arzttarife weiss ich aus langjähriger Erfahrung, dass dort nach wie vor ein grosses Effizienzsteigerungspotenzial ohne Risiko einer Qualitätsreduktion brach liegt. Von einer Expertengruppe wurde dieses Potenzial vor 6 Jahren auf rund 20 Prozent (!) geschätzt (die aktuelle Teuerung liegt bei 3,4 Prozent). Vor kurzem hat eine Studie der Universität Basel dies indirekt bestätigt. Die «Preisfrage» ist hier also im wahrsten Sinne: Sind Preiserhöhungen mit dem banalen allgemeinen Hinweis auf die gestiegene Teuerung hier wirklich statthaft?
Die gleiche Frage stellt sich auch im ÖV: Soll man an der Tarifschraube drehen, obschon immer noch mehr als ein halbes Dutzend Verkaufskanäle bewirtschaftet werden und das, obwohl die Selbstbedienungsquote bei den viel genutzten SBB-Kanälen bei 95 Prozent liegt und mehr als 7 von 10 Billett-Käufe über die digitalen Kanäle erfolgen?
Aus meiner Sicht ist eine Preisanpassung unter Berufung auf die allgemeine Teuerung für Unternehmen der genannten Kategorie kein Naturgesetz. Ich kann Ihnen versichern, dass ich diese Anliegen im Lichte der Gesamtsituation anschauen werde. Einen quasi «automatischen» Preiserhöhungs-Freipass sehe ich nicht.