In einer Vorabklärung ging es, aufgrund von Bürger-Meldungen, um die Preise und Margen von Bio-Lebensmitteln. Vorab zum Hintergrund: Die Anzahl der Supermarktketten bei uns im Land ist überschaubar. Die meisten Kundinnen und Kunden kaufen entweder in der Migros (inkl. Denner) oder im Coop. Beide vereinten einen Marktanteil von ungefähr 80 Prozent auf sich. Avenir Suisse spricht von einem «Kuschel-Duopol», das sich gegenseitig kaum wehtut.
Es gibt schon seit langem die Erkenntnis, dass Lebensmittelpreise und Marktkonzentration, also wenige Anbieter, zusammenhängen. Der Schweizer Einzelhandel ist viel stärker konzentriert als in Vergleichsländern. Eine Seco-Studie hat zum Beispiel ausgerechnet, dass bei einem Brot, das in der Schweiz doppelt so teuer ist wie in Deutschland, ein Achtel des Preisunterschieds allein der geringen Wettbewerbsintensität und höheren Gewinne des Detailhandels geschuldet ist. Es gibt mithin starke Indizien, die für eine gewisse Marktmacht sprechen.
Da es mein gesetzlicher Auftrag ist, zu intervenieren, wenn marktmächtige Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen, habe ich entschieden, erste Vorabklärungen zu starten, ob es allenfalls Hinweise auf missbräuchliches Verhalten gibt. Festzuhalten ist, dass meine Abklärungen immer ergebnisoffen sind: Im besten Fall stelle ich fest, dass alles regelgerecht läuft und keine Interventionen nötig sind. Sie können also durchaus auch eine Chance für Unternehmen sein. Deshalb war ich überrascht, dass meinen Auskunftsanfragen ein so zügiger Gegenwind entgegenwehte.
Dennoch konnte ich Erkenntnisse gewinnen, die mich bestärken, den Detailhandel weiter unter die Lupe zu nehmen. Eine wesentliche Feststellung ist, dass es eine «Margen-Blackbox» nicht nur in der Bio-Sparte, sondern im gesamten Detailhandel zu geben scheint. Die Frage ist: Wo stehen die Margen der Schweizer Detailhändler im internationalen Vergleich? Hier muss Licht ins Dunkel.
Mit diesem Ansinnen befinde ich mich übrigens in bester Gesellschaft: Auch andere europäische Länder – mit Deutschland und Österreich sogar in unmittelbarer Nachbarschaft – haben kürzlich Untersuchungen zum Lebensmittelsektor gestartet. In Hinblick auf die ausgewählten Bio-Produkte habe ich ermittelt, dass bei den untersuchten Detailhändlern vom Umsatz – nach Abzug der Einkaufskosten – mehr übrig bleibt, als das bei konventionellen Produkten der Fall ist. Wenn beispielsweise der Verkaufspreis für ein konventionelles Produkt 10 Franken beträgt und die Marge bei 30 Prozent liegt, dann gibt das 3 Franken. Beim Bio-Produkt, das 20 Franken kostet, bedeutet die gleiche prozentuale Marge einen doppelt so hohen Bruttogewinn von 6 Franken. Warum ist das auch dann relevant, wenn der Prozentanteil gleich ist? Ganz einfach: Weil wir in Franken und Rappen zahlen – und nicht in Prozenten. Wenn wir also – was die Politik wünscht – mehr Bio einkaufen, zahlen wir in Franken und Rappen auch bedeutend mehr – und gerade für den Mittelstand ist das nicht ohne. Diesen Effekt konnte ich bei vier von fünf der untersuchten Produkte feststellen. Ist das gerechtfertigt?
Das Fazit meiner Vorabklärung lautet: Es gibt mehrere Fragen, die weiterer Klärung bedürfen. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen konjunkturellen Situation werde ich dieses Dossier 2023 deshalb weiterverfolgen.