«Ständig wird die Erde gequält», klagte der römische Offizier Plinius, als er als Minenverwalter mitansehen musste, wie Sklaven in spanischen Bergwerken den Fels durchlöcherten, bis er wie ein poröser Knochen zusammenkrachte und ins Tal hinunter donnerte. «Wie Sieger blicken sie auf den Sturz der Natur.»
Rund achtzigtausend Tonnen Blei holten die Römer jedes Jahr aus dem Boden, um Wasserleitungen und Geschirr herzustellen, obwohl man die Giftigkeit an der graugelben Haut der Bergarbeiter erkennen konnte. Auch für die Herstellung von Leinenkleidern benutzte man giftige Stoffe, zahlreiche Arbeiter starben an Lungenkrebs und Tuberkulose. Abfälle entsorgte man in Flüssen, wie das heute noch in vielen Drittweltländern üblich ist. Die expandierenden Siedlungen holzten ganze Wälder ab, der Boden erodierte, Überschwemmungen waren die Folge.
Gestank in den Gassen
Dass Dreckluft, Flüsse voller Fäkalien und verseuchte Böden die Menschen krank machen, wusste man bereits im alten Rom. Man ärgerte sich aber vor allem über den fauligen Gestank, der durch die Gassen wehte.
Plinius schrieb: «Wir vergiften selbst das, was uns leben lässt.» Er kam zum Schluss, dass der Mensch der Natur so lange schadet, bis sie ihm selbst schadet.
Ist das so? In der 20-Millionen-Metropole Neu-Delhi übersteigen an manchen Tagen die toxischen Schwaden die von der WHO gesetzte rote Linie um das Fünfzigfache. Oft verschlingt der Smog bereits um die Mittagszeit das Sonnenlicht. In der Liste der Städte mit der höchsten Luftverschmutzung finden wir sechs indische Städte. Dabei hat das Land hervorragende Ingenieure, Physiker und Chemiker.
Naturausbeuter und Asoziale
Auch bei uns berichten Lungenchirurgen über eine Zunahme von kaputten Lungen. Während beim Klima noch über die Ursachen diskutiert wird, sind die Meinungen beim Thema Umweltverschmutzung einhellig.
In ihrer Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität unterscheiden sich industrielle Naturausbeuter allerdings kaum von Asozialen, die ihren Müll überall liegen lassen. Besserung ist nicht in Sicht. Wahrscheinlicher ist eher die Optimierung des menschlichen Genoms, damit der Mensch ähnlich resistent wird wie die Ratten von Tschernobyl.
Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.