Wenn man Sie missionieren wollte, fleischfrei zu leben, würden Sie sich aus dem Fenster lehnen und auf das erste Kalb schiessen, das sich Ihnen darbietet. Dass Sie Kalbfleisch gar nicht mögen, spielt dabei keine Rolle. Denn was immer Sie tun, wollen Sie freiwillig tun. Sie trotzen, wenn Sie sich in eine Richtung gedrängt fühlen. So sind Sie. So wollen Sie sein. Unvorhersehbar.
Jetzt sind ja dann Wahlen. Wahlprognosen? Können Ihnen gestohlen bleiben. Weil: Beeinflussung. Wäre Trump gewählt worden, wenn die Voraussagen nicht so klar gegen ihn gesprochen hätten? Gäbe es einen Brexit ohne die klar gegenteiligen Prognosen? Eben. Prognosen irren, selbst wenn sie richtig liegen: weil nämlich die Meinungsforschung ihren eigenen Anteil an der Meinungsmache nicht in Betracht ziehen kann.
Oder würden Sie etwa eine Partei wählen, von der es in den Umfragen heisst, sie habe null Chancen auf einen Sitz? So bescheuert, Ihre Stimme einfach zu verschenken, sind Sie nicht. Eher würden Sie auf eine Kandidatin setzen, die es ganz knapp schaffen könnte. Oder etwa nicht? Ihr Votum könnte immerhin einen Unterschied machen. Doch würden Sie weder für die Grünen stimmen noch für Frauen, würden Sie die Prognosen kennen: Die Frauen und die Grünen werden gewinnen. Und zwar haushoch. Sagen die Umfragen.
Was also würden Sie tun? Am Ende vielleicht gar nichts. Denn Greta und Konsorten haben Hochkonjunktur. Mit Ihnen oder ohne Sie, so oder so. Da kann man ja gleich zu Hause bleiben.
Nur eben: Umfragen irren.
Ignorieren Sie die Umfragen. Oder lesen Sie sie, wie Sie ein Fussballspiel oder einen Tennismatch schauen: zum Zeitvertreib. Auch ein FC Thun nimmt den Young Boys mal gegen jede Wahrscheinlichkeit einen Punkt ab. Und auch Roger Federer hat erst gewonnen, wenn er gewonnen hat. Und nicht schon, wenn er von den Experten zum klaren Favoriten erklärt wird.
Gehen Sie wählen. Begnügen Sie sich nicht schon mit den Prognosen. Gehen Sie wählen, so oder so. Fühlen Sie sich dabei unvorhersehbar und völlig frei, frei von Umfragen. Lassen Sie sich nicht dazu drängen, mit dem Trend oder gegen ihn zu stimmen. Wählen Sie Politikerinnen und Politiker, deren Politik Ihnen gefällt. Alles wird gut.
Ursula von Arx lässt sich von Wahlprognosen gerne ablenken. Denn wenn sie sich auf den Zwischenstand der Kandidierenden konzentrieren kann, muss sie sich nicht mit den Inhalten von deren Politik befassen. Sehr bequem. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.