Kolumne Abgeklärt & aufgeklärt über die Aufarbeitung der Pandemie
Corona-Impfung: Bitte aus Fehlern lernen

Während der Pandemie stand die Welt kopf. Jetzt sieht man wieder klarer. Höchste Zeit für die aufgeklärte Politik, sich mit möglichen Corona-Irrtümern zu befassen und aus Fehlern zu lernen.
Publiziert: 11.12.2023 um 09:01 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2023 um 09:02 Uhr
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René ScheuPhilosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP)

Je obskurer die Welt erscheint, desto eher neigt das menschliche Gehirn zu konspirativen Kurzschlüssen. Um das Unverständliche trotzdem zu verstehen, entwickelt es Weltanschauungen nach dem Motto: Lieber eine schlechte Theorie als gar keine. Diese schlechten Theorien münden in die immergleiche Pointe: Es gibt da einen, manche oder einige, die die Fäden im Hintergrund ziehen und die Welt an der Nase herumführen. Das stimmt zwar nicht, aber das Gehirn kommt zur Ruhe.

In der Corona-Zeit stand die Welt kopf, und manches Gehirn raste ohne Unterlass. Nach dem Ausnahmezustand wäre es jedoch Zeit für eine gründliche Abkühlung – einen kühlen Kopf. Denn in Krisen werden Entscheidungen unter Bedingungen der Ungewissheit getroffen, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen können, das gehört zum politisch-demokratischen Geschäft. Aber der aufgeklärte Mensch will aus Fehlern lernen, damit er sie nicht wiederholt. Und um zu lernen, muss er die Fehler kühl erkennen und benennen.

Was während der Pandemie gesagt wurde

Ich möchte dazu – maximal cool – ein paar Zitate präsentieren:

Am 12. August 2021 sagt Gesundheitsminister Alain Berset: «Die Impfung gegen Corona schützt – vor einer Ansteckung, der Weiterverbreitung des Virus oder vor einem schweren Krankheitsverlauf.»

Am 4. Oktober 2021 sagt das Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Die Impfung schützt davor, am Coronavirus zu erkranken und es an andere Menschen weiterzugeben.»

Am 25. November 2021 sagt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission: «Eine Impfung schützt Sie und alle anderen.»

In einem Hearing vor dem EU-Parlament am 18. Oktober 2022 wird die Präsidentin für internationale Märkte beim Pharmaunternehmen Pfizer, Janine Small, gefragt, ob der Impfstoff vor der Marktzulassung auf Virus-Übertragbarkeit getestet wurde. Sie sagt: «Nein. Wir mussten uns wirklich mit der Geschwindigkeit der Wissenschaft bewegen, um wirklich zu verstehen, was im Markt geschieht.»

Am 18. Oktober 2023 sagt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in einem Schreiben an EU-Parlamentarier: «Sie haben in der Tat recht, darauf hinzuweisen, dass Covid-19-Impfstoffe nicht zur Verhinderung der Übertragung von einer Person auf eine andere zugelassen sind. Die Indikationen sind nur zum Schutz der geimpften Personen vorgesehen.»

Einige wird es besonders schmerzen

Ganz unparanoid, aber umso unterkühlter, stellt sich die Frage: Ist eine Welt denkbar, in der alle diese Aussagen gleichzeitig wahr sind? Die aufgeklärte Politik in der Schweiz wie anderswo sollte endlich den Mut finden, die Corona-Zeit aufzuarbeiten, auch wenn es schmerzt (und manche bestimmt mehr als andere).

René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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