Regelmässig wiederkehrendes Thema in den ausländischen Medien sind 2018 die Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel über ein Rahmenabkommen gewesen. (Themenbild)
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Knorz ums Rahmenabkommen
Ein falsches Leben

Niemand kann guten Gewissens sagen: Jawohl, der vorliegende Rahmenvertrag mit der EU ist mit Garantie das Beste, was die Schweiz herausholen konnte! Das ist fatal.
Publiziert: 24.02.2019 um 00:49 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2019 um 11:19 Uhr
Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Die Politik spricht über einen Rahmenvertrag mit der EU, doch die Debatte verläuft ausserhalb jeden Rahmens. Der Bundesrat muss sich zu diesem Geschäft erst noch eine Meinung bilden und schickt das Dossier darum in eine Konsulta­tion. So etwas hat es bislang nicht gegeben, und wie die «NZZ» diese Woche berichtete, sorgt dies im Parlament für Verärgerung. FDP-Nationalrat Kurt Fluri schlägt der Staatspolitischen Kommission, deren Präsident er ist, kurzerhand vor, sich an der Konsultation gar nicht erst zu beteiligen.

Die Kontroverse um die Konsultation ist nur die jüngste Meldung aus dem Bundesberner Durcheinandertal. Ganz zu Beginn der Verhandlungen für das Rahmenabkommen stand Aussenminister Ignazio Cassis’ Aussage: «Wenn es klappt, klappt es. Wenn nicht, dann nicht.»

Als Journalist stelle ich mir eine Zeitungsredaktion vor, die sich an ­ihrer Sitzung über die nächste Aus­gabe unterhält, und der Chefredaktor sagt: «Wenn es mit der Ausgabe klappt, klappt es. Wenn nicht, dann nicht.» Ob bei einer derart flapsigen Herangehensweise überhaupt eine Zeitung herauskommt? Und falls doch, bestehen berechtigte Zweifel: Ist das wirklich das bestmögliche Blatt, das da produziert wurde?

Aus Diplomatenkreisen hört man 
Kritik an der Methode, mit welcher der Schweizer Staatssekretär Roberto Balzaretti und sein Brüsseler Gegenpart Christian Leffler den Vertrag ausgehandelt haben. Die beiden hakten die einzelnen Themen Punkt für Punkt ab. Aus diesem Grund habe es keine Möglichkeit dafür gegeben, was in der Diplomatensprache «Kreuzkonzession» genannt wird: Ich komme dir in diesem Bereich entgegen, dafür machst du mir in einem anderen Bereich ein Zugeständnis. Dies sei der Grund, warum die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie vom Rahmenvertrag nicht explizit ausgeschlossen wurde – es gab nichts, was Roberto Balzaretti in die Waagschale hätte werfen können.

Lauer Eindruck

Die Vorbehalte mögen stimmen, sie mögen überzogen sein oder überhaupt nicht zutreffen. Was am Ende zählt, ist der laue Eindruck, den der Rahmenvertrag selbst bei den entschiedensten Befürwortern eines guten Einvernehmens mit er EU hinterlässt. Die Bundeshausfraktion der FDP sagte gestern zwar Ja zum Abkommen – es ist aber lediglich «ein Ja aus Vernunft», wie es in einer Mitteilung der Partei fast schon entschuldigend heisst. Niemand kann im Brustton der Überzeugung sagen: Jawohl, das ist mit Garantie das Beste, was die Schweiz herausholen konnte! ­Dafür lief und läuft zu viel schief in diesem Prozess.

Was natürlich ebenfalls stimmt: Der arme Ignazio Cassis ist für das Chaos keineswegs hauptverantwortlich, und erst recht nicht sein zupackender Chefdiplomat Balzaretti. Im Bundeshaus wird lediglich jene trübe Suppe weitergerührt, die man hier seit Jahren schon kocht. Es ist das Märchen von der absoluten nationalen Souveränität und davon, dass ­Europa die Schweiz braucht und dass dies umgekehrt nicht einmal ansatzweise der Fall ist.

Die Tragikomödie, die derzeit geboten wird, illustriert auf sehr schweizerische Weise den Satz des Philosophen Theodor W. Adorno: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Es gibt keine richtige Debatte über einen Rahmenvertrag, solange man beim Thema Europa so vielen Tabus und Mythen huldigt.

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