Volkswagen, der Weltkonzern des westdeutschen Wirtschaftswunders «Made in Wolfsburg», wankt. Missmanagement hat ihn in die Misere gesteuert.
Zur gleichen Zeit werden in Zürich die letzten Spuren von Credit Suisse getilgt, der Weltbank der Schweizer Finanzwirtschaft. Missmanagement hat das global operierende Finanzinstitut, das sein Herkunftsland stolz im Namen trug, in die Misere gesteuert.
In Deutschland bangen Zehntausende VW-Arbeiter und -Angestellte um ihren Job. In der Schweiz verschwinden mit der CS Tausende Arbeitsplätze.
Wer trägt das Risiko im Kapitalismus?
Die CS-Manager haben sich aus dem Staub gemacht – unter Mitnahme von zig Millionen an Gehalt und Boni, die sie sich als Mitglieder der Führungselite zuschanzten.
Die VW-Manager sitzen in den Verhandlungen um die Zukunft des Werks noch immer forsch-fordernd am Verhandlungstisch mit den Vertretern der Arbeitnehmer, selbstherrlich ausgestattet mit Millionengehältern.
Wie viel Moral hat der Kapitalismus?
Jeder Juso kennt die Antwort: keine!
In der Tat hat Kapitalismus nichts mit Gut und Böse zu tun. Er ist der Motor der Wirtschaft – des Wirtschaftens in Freiheit, das wiederum elementarer Bestandteil der Freiheit des Bürgers ist, der über sein Eigentum verfügen und etwas damit unternehmen darf: zum Beispiel ein Unternehmen gründen und entwickeln, um dieses Eigentum zu mehren.
Der Kapitalismus ist der Maschinenraum der freien Gesellschaft.
Wo aber bleibt die Moral, die bei VW und CS so eklatant zu fehlen scheint?
Sie ist eine Kategorie der Politik, also der Gestaltung der Gesellschaft, von der die Wirtschaft wiederum nur einen Teil darstellt. Die Politik gestaltet den Kapitalismus. Sie hegt ihn ein durch Gesetze und Regeln – durch Moral.
Die Schweizer Finanzaufsicht (Finma) fordert Instrumente, um fehlbare Banken und Banker sanktionieren zu können, etwa durch Bussen. Sie verweist auf den Strassenverkehr, wo Tempolimits ohne Bussen sinnlos wären.
Das kleine Beispiel illustriert die grosse Sache: An der Spitze vor allem global operierender Unternehmen schalten und walten zahllose Manager, die sich jeglicher gesellschaftlichen Moral enthoben fühlen – weil sie für Fehlverhalten nicht gebüsst werden können. Sie nutzen ein Gehalts- und Bonisystem, das keinem moralischen Wertekatalog verpflichtet ist. Sie handeln jenseits von Moral.
Nicht un-moralisch, sondern a-moralisch.
Der oberste Chef des miserabel geführten VW-Konzerns kassiert zehn Millionen Euro im Jahr, unbesehen des Debakels, das er und seine Vorgänger angerichtet haben.
Ist das akzeptabler Kapitalismus? Gibt es überhaupt akzeptablen Kapitalismus?
Es gibt ihn in Hülle und Fülle. Tausende von mittelständischen Schweizer Patrons verkörpern ihn: Eigentümer, die mit ihrem Vermögen für das Unternehmen und dessen Mitarbeiter haften, die dafür geradestehen, wenn sie ihre Firma falsch steuern.
In der freien Welt funktioniert der überwiegende Teil des Kapitalismus nach diesem Prinzip persönlicher Verantwortung. Die moralenthobene – amoralische – Manager-Kaste hingegen gehört aus der globalisierten Wirtschaft auf den Boden der Tatsachen zurückbeordert: in die Gesellschaft, deren Wohl und Wehe von ihrem Wirken abhängig ist.
Der Topmanager muss auf die Werte des Patrons verpflichtet werden – mit seinem Gehalt, seinen Boni und seinem Vermögen für das verantwortlich, was er anrichtet.
Die Politik hat dafür zu sorgen: für einen Kapitalismus mit Moral.